Darf man das? Ein Rezept für Katzenbraten an Rahmsauce mit Gemüse:
- 1 Katze (abgehangen)
- 1 Zwiebel
- ½ Knollensellerie
- 1 Petersilienwurzel
- 1 getrockneter Steinpilz
- Buttermilch
- 100 g Butter
- 300 ml Doppelrahm
- 1 ½ TL Mehl
- 1 EL Wacholderbeeren
- ½ TL Pfeffer
- Salz
Nur schon die Vorstellung ist absurd. Wer selbst ein Büsi hat, denkt bei diesen Zeilen vielleicht an seine «Kitty» oder sein «Schnurrli». Und fragt sich wohl: Wie kann man nur?
Die Irritation über das Katzenrezept offenbart, wie ungleich wir Tiere behandeln. Denn beim Schweinskotelett denken die meisten Fleischessenden an das Produkt im Kühlregal und nicht an das grunzende Tier, das sich gerne im Dreck suhlt.
Wie sich diese Haltung mit der Zeit auch ändern kann und somit das Resultat gesellschaftlicher Entwicklung darstellt, zeigt sich schön am Beispiel von Südkorea. Das Land hat kürzlich ein Gesetz verabschiedet, dass dem Verzehr von Hunden ein für allemal ein Ende bereiten soll. Damit endet eine wohl Jahrtausend alte Tradition des Fernen Ostens.
Wo sind die Schweizer Katzenesser?
In der Schweiz ist der Verzehr von Hunde- und Katzenfleisch theoretisch erlaubt. Gemacht wird das aber kaum noch. Auch nach längerer Suche für diesen Artikel – inklusive Aufruf auf Radio SRF1 – fand sich niemand, der über den Verzehr von Katzen berichten wollte.
Das eingangs erwähnte Rezept stammt von einem Hobbykoch aus Deutschland. Thomas Biedermann betreibt seit über zehn Jahren einen Food-Blog mit teils ausgefallenen Rezepten. Er selbst habe «leider» noch nie Katzenfleisch gegessen, sagt er. «Wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich es sofort probieren.»
Der biologische Unterschied zwischen einem Hund und einem Schwein ist nicht riesig.
Mit dieser Einstellung eckt er an. Nach der Veröffentlichung seiner Katzenrezepte erhielt Biedermann sogar Morddrohungen. Aber er bleibt dabei: «Fleischessen ist Kopfsache.»
Sein Argument: Der internationale Blick auf die Thematik. «Den Indern sind Kühe heilig, die fassen sie nicht an und in Peru ist Meerschweinchen das Nationalgericht.» Und im ostasiatischen Raum würden Hunde gegessen. Darum sei es scheinheilig, wegen eines Katzenrezeptes derart in Rage zu geraten.
Die Grenze zwischen Nutztier und Haustier
Das Argument der internationalen Küche leuchtet ein. Trotzdem steckt tief in uns eine klare Abwehrhaltung, die sagt: Katzen gehören nicht auf den Teller. Denn die Tierwelt ist strikt unterteilt: Nutztiere werden gegessen, Wildtiere gejagt, Schädlinge bekämpft und Haustiere gestreichelt.
Doch diese Einteilung als Erklärung dafür heranzuziehen, warum wir manche Tiere essen und andere nicht, greift zu kurz. «Diese Unterteilung ist nicht natürlich», sagt der Tierethiker Markus Wild. «Diese Kategorien stehen immer in der Relation zu uns Menschen.»
Löse man sich von dieser menschengemachten Einteilung, merke man schnell, dass sich manche Tiere aus den verschiedenen Kategorien eigentlich sehr ähnlich seien, sagt Markus Wild. Der biologische Unterschied zwischen einem Hund und einem Schwein beispielsweise sei nicht riesig. «Beide sind intelligent, sozial, kommunikativ. Aber wir behandeln sie total anders.»
Die Kategorisierung von Tieren in Nutz- und Haustiere kann auch in umgekehrter Richtung hinterfragt werden. Also nicht nur: Warum essen wir keine Haustiere, sondern auch: Warum behandeln wir sogenannte Nutztiere nicht wie Haustiere?
Frühstück für die Hühner
Tabea Hauser aus dem aargauischen Würenlingen lebt nach diesem Prinzip: Alle ihre Tiere werden wie Haustiere behandelt. Ihre Hühner erhalten ein vergleichsweise exquisites Frühstück: gekochte, feingehackte Teigwaren, Blaubeeren, Trauben, Mehlwürmer, eine Edelkräutermischung und Bierhefe. «Ich mache keinen Unterschied. Für mich hat jedes Lebewesen ein Recht zu leben», sagt die selbstständige Personalvermittlerin.
Ich würde ja auch nicht meinen Hund essen.
Einige ihrer Hühner sind ausrangierte Legehennen, welche sie vor dem Tod gerettet hat. Diese Hühner wurden gezüchtet, um Eier zu legen. «Weil das kräfteraubend ist, lasse ich diesen Hühnern einen Hormonchip einsetzen, damit sie weniger Eier legen.» Kostenpunkt pro Chip und Huhn: 120 Franken.
Eines ihrer Hühner zu essen, wäre für die Veganerin genauso absurd, wie wenn jemand seine Katze in den Kochtopf werfen würde. «Ich würde ja auch nicht meinen Hund essen.»
Die Argumente von Tabea Hauser leuchten ein: Ein Tier ist ein Tier. Aber warum löst die Vorstellung einer gebratenen Katze sofort ein Schaudern aus, während gleichzeitig die Vorstellung eines gebratenen Hähnchens bei vielen das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt?
Raubtiere sind auf dem Teller Tabu
Das habe viel mit kulturellen Gewohnheiten zu tun, sagt Tierethiker Markus Wild. Über Generationen habe man gelernt, dass manche Tiere gegessen werden und andere nicht. Ausserdem ist die Katze ein Raubtier. «Wir essen heute in der Regel nur Pflanzenfresser und keine Raubtiere – mit Ausnahme von Fisch.»
Hinzu komme, dass wir Tiere wie Katzen oder Hunde, die uns nahe stehen, nicht essen. «Wobei auch das eine kulturelle Gewohnheit ist, welche sich verändert hat», so Wild. «Zum Beispiel waren Hunde früher auch in der Schweiz Fett- und Fleischlieferanten.»
Das Pferd: Freund und Fleischlieferant
Das Pferd ist das beste Beispiel für diese Thematik. Es steht genau auf der Linie zwischen den Tieren, welche heute ganz selbstverständlich gegessen werden und den Tieren, die bei uns auf keinen Fall auf dem Teller landen. Und diese Linie verschiebt sich immer mehr.
Bei der Geburt eines Pferdes muss man sich entscheiden, ob es als «Heimtier» oder als «Nutztier» registriert werden soll. Heimtieren darf man mehr Medikamente geben, aber am Ende ihres Lebens darf man ihr Fleisch nicht essen. Heimtiere werden eingeschläfert. Bei Nutztieren ist die Abgabe von Medikamenten viel strenger reglementiert. Dafür dürfen Nutztiere geschlachtet und gegessen werden.
Erstmals überhaupt waren im Januar 2023 unter den Schweizer Pferden mehr Heimtiere als Nutztiere registriert. Die Entwicklung zeigt deutlich, dass sich der Status des Pferdes stetig wandelt.
Früher gehörte es dazu, dass das Pferd am Ende seiner Schaffenszeit auf dem Bauernhof gegessen wurde. Heute haben viele Pferde einen ganz anderen Status, sind Therapiepartner oder Freunde.
«Checkmate» muss sterben
Ein Beispiel dafür, wie ein Pferd gleichzeitig Freund und Fleischlieferant sein kann, ist «Checkmate». Der 18 Jahre alte Hengst ist ein Militärpferd. Nach seiner aktiven Dienstzeit durfte er vor zwei Jahren auf den Hof von Manuela Hofer. Die Pferdefachfrau arbeitet im nationalen Pferdezentrum in Bern und kennt «Checkmate» deshalb schon länger.
Das Pferd ist immer noch im Besitz der Armee. Und weil «Checkmate» lahmt und sich der Zustand nicht bessert, hat der zuständige Armee-Tierarzt entschieden, dass das Pferd geschlachtet wird. Eine schwierige Situation für Manuela Hofer.
Ein Tier, das nur 40 Tage auf der Welt ist, nur damit wir es essen können, esse ich nicht.
«Es gehört zwar zu meinem Beruf, aber es ist bei jedem Pferd schwierig, weil man immer eine Bindung zu den Tieren aufbaut.» Manuela schiessen Tränen in die Augen. «Bei ihm ist es sicher noch intensiver, weil er jetzt zwei Jahre bei mir daheim war.»
Pferdefleisch schmeckt
Wie hält es Manuela Hofer mit Pferdefleisch? «Ja, ich esse Pferdefleisch. Und ich muss sagen, es schmeckt mir auch», sagt sie. Wichtig sei ihr einfach, dass es Schweizer Fleisch sei.
Drei Tage später ist es so weit: «Checkmate» wird geschlachtet. Manuela Hofer tätschelt das Pferd ein letztes Mal und übergibt es schliesslich dem Burgdorfer Pferdemetzger Hans-Peter Horisberger, den alle nur «Hori» nennen.
Ruhig führt er das Pferd in das Schlachthaus. Bolzenschuss zwischen die Augen, dann ein Schnitt durch die Kehle. Manuela Hofer bleibt draussen.
Der 72-jährige «Hori» hat die Entwicklung des Pferdefleisches miterlebt. Er schlachtet in dritter Generation Pferde in Burgdorf. Allein in den letzten zehn Jahren hat sich der Pferdefleischkonsum in der Schweiz halbiert.
«Ich selber esse gerne Pferdefleisch», sagt Hans-Peter Horisberger. Poulet hingegen esse er nicht mehr. «Ein Tier, das nur 40 Tage auf der Welt ist, nur damit wir es essen können, möchte ich nicht auf meinem Teller.»
Wir trennen den Teller vom Tier
Bei der Frage, welche Tiere wir essen, oder ob wir überhaupt Tiere essen, spiele die kognitive Dissonanz eine Rolle, sagt der Tierethiker Markus Wild. Zwei gegensätzliche Meinungen spielen mit: «Auf der einen Seite wissen wir, dass diese Tiere gezüchtet werden, um nur ein kurzes Leben zu haben. Auf der anderen Seite mögen wir Fleisch.»
Das mache sich in der Sprache bemerkbar: «Wenn jemand von einer leckeren Kalbsschulter spricht, denken wir nicht an das Tier, sondern an das Stück Fleisch auf dem Teller.» Wenn man dann aber darauf hinweise, dass dieses Stück einmal die Schulter eines Tieres war, würden viele erschrecken, so Wild.
Vielleicht fällt es uns beim Schwein und der Kuh schlichtweg einfacher, diese zwei Perspektiven zu trennen. Und bei der Katze und beim Hund gelingt das nicht – dort sehen wir sofort das putzige Tierchen, das wir streicheln möchten. Ans Essen denkt da natürlich niemand mehr.