In diesem Frühling waren wegen der Corona-Pandemie die Grenzen geschlossen, erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg. Selbst die grüne Grenze im Wald war mit rot-weissen Bändern abgesperrt und mit Warnschildern versehen: «Kein Durchgang Landesgrenze».
Die geschlossenen Grenzen erinnern an die Zeit während des Zweiten Weltkriegs. Damals boten manche Wälder Schutz für Flüchtlinge, die über die grüne Grenze in die Schweiz fliehen wollten.
Ein Ort, an dem besonders viele Menschen die Flucht versuchten, liegt in der Region Basel: bei Riehen, im Gebiet der «Eisernen Hand».
Eine Lücke im Zaun
Die «Eiserne Hand» ist ein Gebiet mit einer besonderen Geschichte und einer besonderen Geografie. Die Schweiz ragt hier wie ein schmaler Finger in das deutsche Gebiet hinein. 300 Meter breit und 1,7 Kilometer lang ist dieser Finger.
Deutschland wollte im Zweiten Weltkrieg auf diesem schmalen Streifen eigentlich seinen Grenzzaun aufbauen und somit ein Stück Schweizer Territorium abschneiden.
Die Schweiz habe dieses Ersuchen jedoch abgelehnt, erklärt die Historikerin Alexandra Heini. Somit sei bei der «Eisernen Hand» eine Lücke im Grenzzaun geblieben. Andernorts stand in dieser Zeit ein acht Meter breiter Grenzzaun aus Stacheldraht zwischen den beiden Ländern.
Vor lauter Bäume die Grenze übersehen
Viele Menschen versuchten in dieser Zeit aus dem nationalsozialistischen Deutschland in die Schweiz zu fliehen. Der Wald bei der «Eisernen Hand» bot ihnen Schutz. Er war aber auch eine Gefahr. Man riskierte die Lücke zu verfehlen, denn im Wald ist es nicht leicht, sich zu orientieren.
Überliefert ist, dass die Menschen auf der Flucht Hilfe von der lokalen Bevölkerung bekamen. Viele Flüchtlinge waren Juden: Sie mussten heimlich über die Grenze kommen, denn die offizielle Schweiz nahm keine jüdischen Flüchtlinge auf.
Wie viele Menschen in der Kriegszeit über die «Eiserne Hand» in die Schweiz kamen, ist nicht dokumentiert.
«Überall Wachtposten und Schäferhunde»
Eine anonyme Zeitzeugin – im Buch «Fast täglich kamen Flüchtlinge» von Lukrezia Seiler und Jean-Claude Wacker (Christoph-Merian-Verlag 2013) wird sie «C.C.» genannt – floh in einer Dezember-Nacht 1944 bei der «Eisernen Hand» über die Grenze. Sie erinnert sich:
«Die gefühlsmässige Stimmung ist mir heute noch gegenwärtig – die finstere Nacht, ein Grenzweg durch den dunklen Wald. Wir wussten, dass überall in der Dunkelheit Wachtposten und Schäferhunde waren.
Meine Mutter, in ihren Pelzmantel eingehüllt, trug meinen kleinen Bruder im Arm, ich selber wurde auf den Schultern meines Stiefvaters getragen, und wir durften keinen Laut von uns geben.»
Die Zeitzeugin war damals ein Kind. Die Flucht gelang. Bis heute lebt sie in Basel.