Dass 2023 in der Schweiz bisher mehr albanischsprachige Musik gestreamt wurde als Mundart-Musik, beschäftigt viele in der SRF-Community. Userinnen und User fragten, ob sich die das Albanische auch sonst in der Schweiz ausbreite.
Tatsächlich zählt Albanisch zu den Sprachen, die nach Deutsch, Französisch und Italienisch am häufigsten als Hauptsprache gesprochen werden. Das zeigen Zahlen des Bundes.
Im letzten Jahr sprachen in der Schweiz 2.8 Prozent der über 15-Jährigen Albanisch als Hauptsprache. Das sind 0.3 Prozentpunkte mehr als noch vor zehn Jahren. Was bedeutet das für die Zukunft?
Stephan Schmid ist Sprachwissenschaftler an der Universität Zürich und beschäftigt sich schon länger mit dem Thema. Er erklärt, was passiert, wenn Migrantinnen und Migranten eine Sprache in ein Land bringen.
Enkel sind meist einsprachig
Das klassische Modell dafür sei das Drei-Generationen-Szenario. Es wurde anhand der Einwanderung in die USA entwickelt: «In der ersten Generation können die Leute nur ihre Muttersprache.» So hätten die ersten italienischen Einwanderer in die USA nur italienischen Dialekt gesprochen.
«Ihre Kinder wurden dann zweisprachig.» Die Enkel schliesslich seien einsprachige Amerikaner geworden, die nur Englisch sprachen. Ein prominentes Beispiel dafür ist die Sängerin Madonna. Ihre Grosseltern sind aus Italien eingewandert. Sie selbst spricht kaum mehr Italienisch.
Sprachverwandtschaft entscheidet
Die Sprache von Einwanderinnen und Einwanderern kann aber noch viel schneller verschwinden – nämlich, wenn sich das Herkunftsland und das neue Land kulturell und sprachlich ähnlich sind. Ein Beispiel dafür sei Argentinien, sagt Schmid.
«Dort gab es eine massive Einwanderung aus Italien. Weil das Spanische sehr ähnlich ist, haben die Italiener ihre Muttersprache rasch vergessen.»
Das Schweizerdeutsche wird nicht verschwinden.
Aber kann sich die Sprache von Einwanderern in einem neuen Land ausbreiten? Manchmal, erklärt Stephan Schmid. In der Deutschschweiz sei Italienisch ein gutes Beispiel dafür: Während des Wirtschaftsbooms der Nachkriegszeit gab es eine grosse italienische Einwanderungswelle.
«So hat sich das Italienische insbesondere auf der Baustelle und in der Fabrik verbreitet. Viele Einwanderer, die keine Italiener waren, haben Italienisch gesprochen. Der Grund war vor allem die Verwandtschaft der Sprachen.»
Der Einfluss des Internets
Dass Albanisch in der Schweiz eine Hauptsprache wird, hält der Forscher jedoch für ausgeschlossen: «Was sicher nie eintreten wird, ist, dass das Schweizerdeutsche verschwindet und die Migrationssprachen Überhand nehmen.»
Zwar ist es möglich, dass Kinder auf dem Pausenplatz das eine oder andere Wort Albanisch aufschnappen – man nennt den informellen Spracherwerb. Untersuchungen aus der Schweiz zeigen aber, dass dieser im Fall des Albanischen kaum vorkommt.
Zudem gehören albanischstämmigen Kinder, die heute in den Primarschulen sind, meist zur dritten Generation und können oft nur noch mündlich Albanisch, wie die Forschung weiss.
Grundsätzlich haben es Fremdsprachen in den modernen Ländern jedoch etwas einfacher als früher und leben tendenziell länger. Das habe unter anderem mit den modernen Kommunikationsmitteln wie Whatsapp und dem Internet zu tun, erklärt Stephan Schmid. Diese würden es leichter machen, mit dem Herkunftsland und dessen Sprache in Verbindung zu bleiben.