Werner Günthör ist ein Mann wie ein Berg: 2 Meter gross, Schuhgrösse 48. Überragend war er auch als Kugelstosser. Bis Dopingvorwürfe ihn zu Fall brachten. Im Interview spricht Werner Günthör über die Schatten der Vergangenheit und die «Gegner» von heute.
SRF: Der Schweizer Rekord im Kugelstossen wurde von Ihnen aufgestellt: 22,75 Meter. Das war 1988. Wie weit kommen Sie heute?
Werner Günthör: Keine Ahnung. 12, 13, 14 Meter vielleicht. Weiter nicht (lacht).
Ihre Karriere wird heute von Doping-Vorwürfen überschattet. Wie haben Sie die Vorwürfe damals aufgenommen?
Ich habe extrem darunter gelitten. Es war verrückt. Die Leute starrten mich an als dächten sie: «Wir haben es doch immer gewusst.»
Sie wurden aufgrund einer Verletzung mit Anabolika behandelt.
Ich habe die Medikamente legal bezogen. Früher gab es in der Schweiz das sogenannte Doping-Fenster: Man durfte verletzte Athleten unter gewissen Umständen mit diesen Medikamenten behandeln. Natürlich haben wir diese Möglichkeit ausgenutzt.
War das fair, nur weil es rechtens war?
Es geht darum, was erlaubt ist und was nicht. Rückblickend war mein Verhalten korrekt. Ich habe mich immer an die Regeln gehalten und deswegen auch kein schlechtes Gewissen. Heute ist eine andere Zeit.
Sie wurden nie wegen Dopings verurteilt. Trotzdem wird Ihnen das bis heute vorgeworfen. Wie gehen Sie damit um?
Immer wenn etwas geschrieben wird, bleibt davon etwas in mir zurück. Es wird weiter gerührt und gerührt.
Ich stelle mich gern den Fragen. Was ich aber schade finde: Wenn man einmal der Böse ist, kann man tun und sagen, was man will. Man kann nichts daran ändern.
Blicken wir zurück: Jahrelang wurden Sie von der Öffentlichkeit gefeiert. Sie haben einen Weltmeistertitel nach dem anderen abgeräumt. Wurde Ihnen der Kampfgeist in die Wiege gelegt?
Vielleicht schon. Ich bin in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen. Bei uns zuhause galt: «Von nichts kommt nichts». Das prägt mich bis heute.
Ich hatte immer schon Mühe zu verlieren. Ich dachte dann: Das kann ich besser. Ich wollte immer das Maximum aus allem herausholen.
Sind Sie als Kind schon an Ihre Grenzen gegangen?
In gewissen Sachen ja. Ich war wild, auch ein bisschen verrückt. Ich habe damals Mutproben gemacht, die ich nicht nochmal machen würde. Das war das Testosteron-Alter, da hab ich Gas gegeben.
Haben Ihre Eltern Ihre Ambitionen unterstützt?
Mein Vater sagte: «Du machst erst einmal eine Lehre, danach ist mein Part erledigt. Du kannst dann entscheiden und machen, was du möchtest.»
Er hat mich immer unterstützt. Auch, als ich als ganz junger Athlet sagte: «Ich gehe mal an die Olympiade.» Er sagte einfach: «Ja, ist gut.»
Haben Sie jemals gezweifelt auf ihrem Weg zum Sport-Olymp?
Nein. Ich wollte das und habe diesem Ziel alles untergeordnet. Zu meiner Frau, die damals noch meine Freundin war, sagte ich: Zuerst kommt der Sport und dann kommst du.
Ich sagte zu meiner heutigen Frau: Zuerst kommt der Sport, dann kommst du. Ich habe der Karriere alles untergeordnet.
Diese Bemerkung hat sie zutiefst getroffen. Doch für mich war das einfach so: zuerst der Sport, Punkt.
Heute kann man sagen: «Der Günthör der spinnt ja, der ist ja krank.» Aber wenn man ein Ziel hat, muss man mit allen Konsequenzen dran arbeiten. Man muss auch mal richtig auf Granit beissen und dann mit dem Bohrer oder Hacker durch.
Heute steht Ihre Frau im Mittelpunkt Ihres Lebens und Sie helfen ihr in ihrem Kampf gegen den Krebs.
Das war ein schwieriger Moment, als der Krebs diagnostiziert wurde. Man kann Floskeln abrufen: «Wie geht es dir heute?» Mehr nicht. Natürlich kann man füreinander da sein, das hilft, aber mehr kann man nicht tun. Heute geht es ihr zum Glück wieder besser.