Als ich in Luzern am Bahnhof ankomme, ruft Kairat mir von hinten zu: «Komm in diese Richtung, du gehst den falschen Weg!» Der 48-jährige Kirgise ist einer der Gastautoren für den «Kulturplatz». An einem sonnigen Herbsttag gehen wir uns unterhaltend auf eine Holzbrücke zu, die im Zickzack über den Fluss geht und ein Dach aus Holz hat: die Kapellbrücke.
Auf der Brücke wartet Talal, ein 38-jähriger Syrer, auf uns. Mit Kamera in der Hand hängt er über dem Geländer, als ob er ein Foto von den Vögeln im Fluss machen will. Auf Arabisch sagt Talal: «Das ist kein Fotojournalismus, es ist Foto-Kunst. Es hat viel zu tun mit Licht, Winkel, Farben und am wichtigsten: die Sinne des Menschen».
Lächelnd inmitten der Arbeit
Insgesamt treffen sich heute drei Journalisten mit Fluchthintergrund, begleitet von einer «Kulturplatz»-Redaktorin, an der Luzerner Kapellbrücke. Ich, ein Kurde aus dem Iran, werde über ihre Arbeit schreiben und Porträts von den Gastautoren entwerfen.
Die Sendung behandelt Flüchtlinge als Thema, und wird wiederum von Flüchtlingen gestaltet. Am ersten Drehtag finden wir uns lächelnd mitten in der Arbeit.
Gedreht wird mit dem jungen Afghanen Ali, seit drei Jahren in der Schweiz, und dem Kurden Ali R. Celik (64), seit 30 Jahren hier. Er ist Vertreter der Grünen im Luzerner Stadtparlament. Ali, der 20-jährige Afghane, trifft ihn, um seine Ratschläge und Erfahrungen zu hören.
Klare Regieanweisungen
«Wir lassen die Interviewpartner vorher nicht einander sehen, jeder kommt von der gegenliegenden Seite, bis sich beide in der Mitte der Brücke treffen. Die Aufnahme wird lebendiger und echt für den Zuschauer, wenn sie sich das erste Mal vor der Kamera begegnen», sagt Kairat. Er geht den einen abholen, während wir mit dem anderen zur anderen Seite der Brücke gehen.
Der erste Arbeitstag beim «Kulturplatz» ist ein Tag der Sprachen. Der Syrer (Kameramann), der Kirgise (Journalist), die Schweizerin (Journalistin), und ich (Journalist) sprechen Deutsch, Englisch, Arabisch und Russisch, um die Dreharbeiten zu koordinieren. Mit unseren Interviewpartnern vor der Kamera reden wir auch auf Kurdisch und Persisch.
Talal sagt: «Ich versuche Deutsch zu sprechen, um mein Deutsch während der Arbeit zu verbessern, aber Englisch ist einfacher für mich.» Er fügt lächelnd hinzu: «Bitte sprecht auf Deutsch mit mir, ich verstehe es gut genug.»
Arbeit zu finden ist schwierig
Nachdem wir mit der Arbeit fertig sind, sitzen wir in der Sonne und trinken Kaffee. Kairat hebt seine Hand und fängt an, seine Haare mit der Hand zu kämmen. Plötzlich sagt er: «Ich bin seit langer Zeit in der Schweiz und ich habe oft versucht, hier als Journalist zu arbeiten. Aber es ist wirklich schwierig und es gibt wenige Kanäle dafür. Ich hoffe, dass ich zukünftig bessere Chancen habe.»
Talal, der Syrer, ist seit einem Jahr in der Schweiz, ich seit zwei Jahren, und Kairat ist seit acht Jahren hier. Wir alle würden gern als Journalisten in der Schweiz arbeiten.