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Antisemitische Vorfälle nehmen aktuell zu
Aus Audio Aktuell SRF 3 vom 18.10.2023. Bild: KEYSTONE/DPA/Sven Kaeuler
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Hass gegen Juden und Jüdinnen Woher kommt der Antisemitismus?

Der Nahostkonflikt ist historisch, politisch und religiös aufgeladen. Das macht ihn so kompliziert. Manche Positionen in der Debatte werden als antisemitisch bezeichnet. Doch was genau ist Antisemitismus? Und woher kommt die jahrhundertealte Judenfeindlichkeit?

Dorothee Adrian

Fachredaktorin Religion

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Dorothee Adrian ist Religions-Redaktorin bei SRF. Sie hat Theologie an der Universität Basel studiert. Vor ihrer Zeit bei SRF war sie bei der Tageswoche in Basel und bei Mission 21 tätig.

Wo hat Antisemitismus seinen Ursprung?

Der Antisemitismus wurzelt im christlichen Antijudaismus. Dieser ist so alt wie das Christentum selbst. Zunächst war die Jesus-Bewegung eine innerjüdische Reformbewegung. Dann kamen immer mehr nichtjüdische Menschen hinzu, was zu Spannungen führte. Zwischen dem 2. und 4. Jahrhundert trennten sich die Wege. Um die neue religiöse Bewegung, aus der das Christentum wurde, vom Judentum abzugrenzen, wurden Jüdinnen und Juden beschuldigt, Jesus ermordet zu haben. Mit diesem Vorwurf lösten sich Teile des Christentums aus ihrer jüdischen Tradition – sie wurden antijüdisch. «Diese» Juden waren nicht mehr die eigenen Leute, sondern wurden zu «den» anderen. An dieses sogenannte «Othering» knüpft der spätere Antisemitismus an.

Was ist «Othering»?

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Der Begriff «Othering» bezeichnet in der Soziologie die Distanzierung der Gruppe, der man sich zugehörig fühlt, von anderen Gruppen.

Wie entwickelte sich Antisemitismus weiter?

Ab dem 4. Jahrhundert gab es Übergriffe auf Juden und Jüdinnen. Ab dem 6. Jahrhundert dann antijüdische Vorschriften, die jüdische Menschen von der Mehrheitsgesellschaft separierten. Verbote drängten Juden im Mittelalter in kaufmännische Berufe und Kredithandel. Legenden von Brunnenvergiftungen oder Ritualmorden wurden den «Anderen», nämlich der jüdischen Minderheit, zugeschrieben. Damit verbunden war immer wieder die Schuldfrage. Nun lautete diese nicht in erster Linie: «Wer hat Jesus getötet?» Sondern zum Beispiel: «Woher kommt die Pest?» Im Laufe des Mittelalters wurden Juden aus England, Frankreich, Spanien und Portugal vertrieben.

Video
Vom alten Judenhass zum neuen Antisemitismus
Aus Sternstunde Religion vom 10.03.2019.
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Wie äusserte sich Antisemitismus seit der Aufklärung?

Im 18. und 19. Jahrhundert wurde die Judenfeindschaft pseudowissenschaftlich rassistisch verstärkt. So beschreibt es der SIG in seinem Factsheet Antisemitismus. So hiess es, es gebe eine «jüdische Rasse» mit bestimmten Merkmalen. Die Nationalsozialisten verdichteten negative Stereotype, Verschwörungs-Vorwürfe und Schuldzuweisungen und propagierten eine Ideologie, die jüdischen Menschen das Recht absprach, zu existieren. 

Was sind die häufigsten Merkmale des Antisemitismus?

Kurz gesagt handelt es sich um eine «bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann», wie es in der Kurzdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance IHRA heisst, zu der die Schweiz gehört. Diese könne sich in Wort und Tat gegen Einzelpersonen und Gemeinschaftsinstitutionen richten. Unterschieden werden religiöser, sozialer, politischer, nationalistischer und rassistischer Antisemitismus. Meist kommen Mischformen vor.

Das sind die Formen des Antisemitismus

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  • Zum religiösen Antisemitismus gehört der Vorwurf des «Gottesmordes».
  • Der soziale Antisemitismus grenzt jüdische Menschen aus, was zu Stereotypen wie dem «Wucherer» führte.
  • Der politische Antisemitismus verbreitet die Verschwörungserzählung, Juden arbeiteten verborgen an einer Weltherrschaft.
  • Der nationalistische Antisemitismus grenzt jüdische Bürger aus und unterstellt ihnen Illoyalität.
  • Der rassistische Antisemitismus bewertet sie als naturgegeben negativ.

Ist Kritik am Staat Israel antisemitisch?

Nicht unbedingt – kann es aber sein. Zur Prüfung hat Natan Sharansky, ehemaliger israelischer Minister, den sogenannten «3D-Test» entwickelt. Anhand der drei Begriffe «Dämonisierung, Doppelstandard und Delegitimierung» könne überprüft werden, ob Israelkritik antisemitisch ist. Wird der Staat als grundsätzlich schlecht angesehen (Dämonisierung)? Werden Handlungen anders bewertet, weil sie von diesem Staat getätigt werden (Doppelstandard)? Oder: Wird dem Staat Israel das Existenzrecht abgesprochen (Delegitimierung)?

Krieg im Nahen Osten

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Die Konflikte in Israel, im Westjordanland, im Gazastreifen und in Libanon halten an. Hier finden Sie alle unsere Inhalte zum Krieg im Nahen Osten.

Radio SRF 3, Info 3, 18.10.2013, 17:00 Uhr

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