«Eine Diskussion ist nicht mehr möglich», sagte Programmdirektorin Christine Strobel, kurz nachdem die ARD bekannt gab, Thilo Mischke nicht als Moderator der Kultursendung «ttt» zu setzen. «Die Wucht und die Dynamik der Debatte» mache einen Austausch zwischen den Beteiligten unmöglich, ergänzte sie.
Ist die Kritik an der Debatte berechtigt? Ist der Fall Mischke eine Abkanzlung, in der der «Angeklagte» keine Chance hat? Ist das Cancel Culture und typisch für unsere Zeit?
Guter Grund zum Aufruhr
Die Debatte begann im Dezember, kurz nachdem bekannt wurde, dass Mischke «ttt»-Moderator werden soll. Die Wahl überraschte und empörte: Mischke ist für viele eine Fehlentscheidung.
Die Kritik: Der Journalist, zwar unter anderem preisgekrönt mit dem Deutschen Fernsehpreis für seine Reportage über die Taliban, ist Autor der Bücher in «In 80 Frauen um die Welt» und «Die Frau fürs Leben braucht keinen grossen Busen». Buchtitel, die selbst, wenn man darin Ironie lesen mag, Bände sprechen.
Die ARD hätte den Austausch suchen können.
Der Podcast «Feminist Shelf Control» und mehrere Medien untersuchten das Werk Mischkes und fanden darin sexistische, homophobe und rassistische Textstellen. Trotzdem hielt die ARD zunächst an Mischke fest.
Anfang 2025, nachdem 100 Kulturschaffende sich in einem offenen Brief gegen die Wahl Mischkes gewehrt hatten, sah die ARD dann doch von einer Zusammenarbeit ab.
Kein Raum für Diskussion?
Die Soziologin Simone Jung, die zum Wandel der Debattenkultur forscht, hat die Debatte, die vor allem auch in den sozialen Medien geführt wurde, verfolgt.
Ihr ist bewusst: Debatten in den sozialen Medien können rau, oder «affektiv» sein, wie sie es nennt. Im Fall Mischke stellt sie jedoch fest: «Der Podcast von ‹Feminist Shelf Control›, der eine Art Auslöser der Debatte war, gab eine konstruktive Grundlage, um eine Diskussion zu führen.»
Das Argument der ARD, dass keine Diskussion möglich sei, befindet sie für «schwach». Die ARD hätte, so Jung, den Austausch suchen können.
Fehlende Fehlerkultur?
Die Podcasterin Jule Lobo, die mit Mischke für einen Begleitpodcast für «ttt» gesetzt war, äusserte sich in ihrem Podcast «Feel the News», den sie mit ihrem Mann Sascha Lobo hat, zum Fall. Ihr Fazit: «Es bleibt die Frage, wie wir alle damit umgehen, wie wir ihm verzeihen, wie wir mit Fehlern umgehen.» Sie hätte gern mit ihm darüber gesprochen, wie er heute zu seinen Büchern und Aussagen steht.
In der Debatte geht es weniger um mangelnde Fehlerkultur. Es geht um die Verteidigung der Kultur.
Öffentlich entschuldigt oder geäussert zur Debatte hat sich Mischke bisher nicht. Vom Buch «In 80 Frauen um die Welt» hatte er sich vor der Debatte distanziert – eine Neuauflage des Buches verhindert.
Es geht nicht um ihn
Die Frage, die sich dabei stellt: Ist eine Entschuldigung überhaupt möglich, wenn Mischke für viele klar abgeschrieben ist? In vielen aufgeheizten Debatten wird deutlich: Es besteht eine Tendenz, eher über, statt mit Personen zu sprechen. Eine Stellungnahme mag deshalb schwerer fallen.
Jung betont: In der Debatte um Mischke gehe es aber weniger um eine persönliche Entschuldigung oder eine mangelnde Fehlerkultur. In der Debatte sei eines zentral: «Es geht um die Verteidigung der Kultur.» Gerade in Zeiten von Kulturkonflikten und Kulturkürzungen, «wünsche man sich einen Moderator, der in diesen erhitzten oder auch sehr komplexen Debatten kundig ist.»