Narben der Ausbeutung: Es ist ein grässliches Bild, das die Ausstellung eröffnet. Es zeigt den durch Peitschen malträtierten Rücken des Sklaven Peter Gordon. Sklaverei-Gegner verbreiteten die Fotografie während des amerikanischen Bürgerkriegs, der mit der Abschaffung der Sklaverei endete. Die ikonische Fotografie: ein Sinnbild der Sklaverei.
Sklaverei: ein grosses Thema, aber weit weg – denkt man: Doch auch Schweizerinnen und Schweizer sind während der Kolonialzeit durch Sklavenarbeit reich geworden. Ab dem 17. Jahrhundert besassen Schweizer Privatpersonen Plantagen, die sie mit versklavten Frauen, Kindern und Männern betrieben. Mit dem Anbau vom Kaffee, Kakao oder Tabak etwa, zum Beispiel in der Karibik oder auch in Brasilien, wurden sie reich.
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Bild 1 von 4. In der Plantagenwirtschaft auf Sumatra profitieren Schweizer vom Zugang zu Land und billiger Arbeitskraft. Im Bild der Schweizer Tabakplantagen-Administrator aus Stäfa mit seinem Sohn, 1921. Bildquelle: Privatbesitz.
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Bild 2 von 4. Fritz und Paul Sarasin forschen Ende des 19. Jahrhundert in Britisch-Ceylon (heute: Sri-Lanka). Sie gehen dort auf Grosswildjagd: Das Jungtier dieses erlegten Elefanten wird dem Basler Zoo überbracht. Bildquelle: ETH-Bibliothek Zürich.
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Bild 3 von 4. Der Schweizer Geologe Arnold Heim (1882–1965), hier zu sehen auf dem Mutandasee in Uganda, forscht auf allen Kontinenten. Viele seiner Forschungsreisen sind von Ölfirmen finanziert. Im Verlauf seiner Karriere entwickelt er sich zum Naturschützer und Befürworter der Dekolonisierung. Bildquelle: ETH-Bibliothek Zürich.
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Bild 4 von 4. Karl Krüsi (1855–1925) arbeitet in Niederländisch-Indien auf Schweizer Plantagen. 1881 ersteht er eine eigene Plantage und benennt sie nach seiner Frau Mary. 1893 verkauft er sie. Mit dem vermögen baut er in Zürich die Villa Sumatra an der heutigen Sumatrastrasse. Bildquelle: Schweizerisches Nationalmuseum.
Die Sklavenarbeit ist nur ein Thema, das die Ausstellung behandelt. Sie will zeigen, wo Schweizerinnen und Schweizer überall die Finger im Spiel hatten. Es ist die erste Ausstellung, die versucht, einen Überblick über die Schweizer Verflechtung mit dem Kolonialismus zu geben.
Lange kein Thema, trotz vielfältiger Verstrickungen
Die Schweizer Beteiligung ist ein historisches Kapitel, das lange keins war. «Das Thema wurde viel zu lange ausgeblendet. In der Zwischenzeit haben aber zahlreiche Publikationen und Forschungsarbeiten gezeigt, dass die Schweiz vielfältig verflochten war mit dem kolonialen System», erklärt Co-Kuratorin der Ausstellung, Marina Amstad.
So zeigt die Ausstellung etwa, wie Schweizer mit sogenannten Kolonialwaren Handel betreiben oder wie Schweizer Siedlerinnen Länder indigener Völker besetzen.
Sie beleuchtet aber auch – vielleicht eher überraschend – wie Schweizer Wissenschaftler in den Kolonien Menschen und Tiere vermessen, klassifizieren und damit «Rassentheorien» entwickeln. Wie Schweizer Ingenieure Eisenbahnen oder Brücken bauen – und damit Möglichkeiten schaffen, um besetzte Gebiete noch weitgehender auszubeuten.
Schweizer Söldner – oft als Helden gefeiert – gingen in kolonialen Gebieten teilweise brutal vor. Zum Beispiel in den 1870er-Jahren auf der Insel Sumatra, wo eine Schweizer Brigade im Auftrag der Niederlande einen Aufstand niederschlug und beinahe 600 Menschen tötete.
Kontinuität bis zur Gegenwart
Die Ausstellung behandelt Kolonialismus aber nicht nur als ein historisches Kapitel, das mit der Dekolonisierung nach dem Zweiten Weltkrieg endet. Sie richtet ihren Blick auch auf die Gegenwart und thematisiert aktuelle Auswirkungen.
«Wir stellen immer wieder die Frage ‹Und heute?›, weil es uns wichtig ist, auf die Kontinuitäten des Kolonialismus hinzuweisen», so Amstad. Folgen, die sich etwa in den Auswüchsen des Rohstoffhandels zeigen oder beim Klimawandel. Denn im Kolonialismus sah man die unterworfenen Gebiete als unerschöpfliche Ressource.
«Am einfachsten sichtbar sind die Kontinuitäten des Kolonialismus beim strukturellen Rassismus», so Amstad: «Noch immer prägen kolonial-rassistische Denkmuster unsere Gesellschaft.» Ein Erbe des Kolonialismus, das schwer wiegt – und das nicht leicht loszuwerden ist. Nicht nur in der Schweiz.