Immer wieder erschüttern Fälle von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche die Schweizer Öffentlichkeit. Nun kommt aber Bewegung in das Thema. Diesen Dienstag lud das Bistum Chur an einen Medienanlass zum Thema auf das Bischöfliche Schloss. Dort stellte es seinen neuen Verhaltenskodex zum Umgang mit Machtmissbrauch vor.
Das Churer Bistum ist die erste Diözese der Schweiz, die einen solchen Verhaltenskodex erarbeitet hat. Er soll sämtliche Formen von Missbrauch verhindern. Der Kodex ist für alle Seelsorgenden, Mitarbeitenden sowie Führungspersonen der Kantonalkirchen verbindlich. Am Dienstag wurde er in Chur unterzeichnet.
Kirche soll «angstfrei» werden
Auch sonst tut sich etwas: Am Montag wurde bekannt, dass die Schweizer Bischofskonferenz ihre Archive für die Aufarbeitung von Fällen sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche öffnet. Zwei Historikerinnen der Universität Zürich sollen das Ausmass der Missbrauchsfälle seit 1950 untersuchen.
Der Sinn des neuen Verhaltenskodex sei es, «die sexuelle, psychische und geistige Integrität zu schützen», erklärte der Churer Bischof Joseph Maria Bonnemain am Dienstag an der Medienkonferenz. Das Ziel sei eine «angstfreie Kirche».
Entwickelt wurde der Kodex von den beiden Präventionsbeauftragten Karin Iten und Stefan Loppacher. Dafür arbeiteten sie mit der kirchlichen Basis zusammen. Ursprünglich war der Kodex für die Zürcher Kantonalkirche gedacht.
Überfälliger Meilenstein
Franziska Driessen-Reding, die Präsidentin des Synodalrates der katholischen Kirche Zürich, ist froh, dass das Bistum Chur nun «Selbstverständlichkeiten» verbindlich festlegt: «Dieser Meilenstein hätte schon vor 20 Jahren erreicht werden können. Aber jetzt haben wir den richtigen Bischof, um vorwärtszumachen.»
Tatsächlich ist das Thema Prävention für den Churer Bischof nicht neu. Er amtete einst als Sekretär des Fachgremiums «Sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld», das die Bischofskonferenz 2002 einsetzte.
Kinder nicht nach Hause einladen
Der Kodex enthält verschiedene Qualitätsstandards und konkrete Verhaltensanweisungen, die leicht überprüft werden können. Festgelegt wird etwa, dass Erwachsene nicht im selben Raum wie Kinder schlafen dürfen. Auch sollen sie Kinder nicht zu sich nach Hause einladen.
Die Standards seien so konkret formuliert, dass sie auch im kirchlichen Alltag leicht zu thematisieren seien, erklärte Iten. Ab Mitte Jahr müssen Angestellte im Dienst der Kirche Kurse besuchen, um die Verhaltensregeln zu lernen. Mit einer Unterschrift bezeugen sie dann, dass sie sich an die Vorschriften halten werden.
Aber was, wenn es trotz Kodex zu einem Missbrauch kommt? Konkrete Strafen sind im Kodex keine vorgesehen. Falsches Verhalten habe aber sicher Konsequenzen, so Bonnemain: «Wenn jemand veränderungsresistent bleibt, trotz Massnahmen und Supervision, dann ist diese Person nicht geeignet, um in der Kirche zu arbeiten.»