Mit Musikdosen und Uhren aus dem Val de Travers im Gepäck sorgten die ersten Schweizer Missionare und Handelsherren in China für Furore. Sie erkannten, dass sich in dem Riesenreich ein Absatzgebiet auftut.
Ab dem 19. Jahrhundert produzierte die Westschweizer Uhrenindustrie für den chinesischen Markt. Damit war die Schweiz in China früh wirtschaftlich präsent.
Koloniales Setting
Die Schweiz besass zwar keine Kolonien, aber Schweizer und Schweizerinnen bewegten sich dort in einem kolonialen Kontext. Sie lebten luxuriös und liessen sich bedienen, sagt die Historikerin und Sinologin Ariane Knüsel.
«Sie haben als Teil der kolonialen Elite in chinesischen Stadtvierteln gelebt, die von Ausländern kontrolliert wurden. Es gab zum Beispiel eine ausländische Polizei. Sie haben von Privilegien profitiert, welche andere Länder im Krieg gegen China erzwungen hatten.» Beispielsweise vom Vorrecht, frei durchs Land zu reisen.
Zu diesem kolonialen Setting gehörte auch der Handel mit geraubten Kulturgütern durch Schweizer. So etwa nach dem Boxeraufstand um 1900, als sich im Nordosten Chinas eine Bewegung gegen christliche Missionare und Konvertiten auflehnte, aber von westlichen und japanischen Truppen niedergeschlagen wurde.
«Zum Beispiel hat ein Schweizer damit geprahlt, dass er eben da spottbillig geplündertes Gut erworben hatte», sagt Knüsel. Teppiche, Seidenroben und Vasen aus dem Kaiserpalast gelangten so in die Schweiz.
Die Schweiz als Tummelfeld für Spione
Auch danach war der Schweizer Blick auf China von kommerziellen Interessen geprägt. Die Industrie lieferte Farbstoffe und Medikamente, Maschinen, Aufzüge, Waffen und immer wieder: Uhren. Diplomatische Beziehungen stützten dieses Exportgeschäft.
Dass die Schweiz als neutrales Land die kommunistische Volksrepublik 1950 früh anerkannte, trug zum gegenseitigen Einvernehmen bei. So etablierte China mitten in Europa ein Tummelfeld für Spione: Die chinesischen Genossen logierten in den Grand Hotels in Bern oder Genf und blätterten für ihren monatlichen Schnapskonsum gerne mal 20’000 Franken hin.
Das Buch erzählt die Verbindungen der beiden Länder nicht nur in einer informativen Gesamtschau, sondern auch anschaulich mit eingestreuten Anekdoten. Zudem ist es reich illustriert. Eindrücklich sind da etwa pseudo-chinesische Einrichtungsgegenstände, die «Chinoiserien». Mit ihnen simulierte das hiesige Bürgertum Weltläufigkeit, wenn es ein «Chinazimmer» einrichtete und ein Teeservice aus Porzellan bestellte.
Wenig kultureller Austausch
Doch anders als die wirtschaftlichen Beziehungen blieb der kulturelle Austausch punktuell, besonders im Kalten Krieg. Beim Auftritt der «Peking-Oper» im Volkshaus Zürich kam es zu einer antikommunistischen Demonstration. Pflegten Schweizer Kulturschaffende Beziehungen in China, schadeten sie ihrer Karriere.
Dass nun über das Buch ein kultureller Austausch in China entsteht, damit rechnet Ariane Knüsel nicht. Zu viele Themen seien dort tabu. «Wir behandeln zum Beispiel die Hungersnot. Wir behandeln sehr detailliert das Tian’anmen-Massaker und auch die Uiguren und tibetischen Flüchtlinge.» Das sind grosse Themen, bei denen es um die Verletzung von Menschenrechten geht, die in China nicht öffentlich diskutiert werden dürfen.