China hat vor rund 10 Jahren das Projekt «Neue Seidenstrasse» lanciert, auch bekannt unter der englischen Bezeichnung «Belt-and-road-Initiative». Beim Grossprojekt geht es darum, neue Handelswege zu schaffen oder bestehende auszubauen.
Die Schweiz hat sich 2019 zur neuen Seidenstrasse bekannt. Sie hat damals eine Absichtserklärung unterschrieben, ein sogenanntes «Memorandum of Understanding». Aber: Was hat die «Neue Seidenstrasse» der Schweiz gebracht?
Fragt man nach dem bisherigen Nutzen der «Neuen Seidenstrasse» für die Schweizer Wirtschaft, kommt Rudolf Minsch, der Chefökonom des Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse, zu einem ernüchternden Schluss: «Die Schweizer Firmen waren kaum involviert. Die Projekte wurden von chinesischer Seite geplant, finanziert und gebaut».
Die Chinesen können bei Grossprojekten eine grosse Erfahrung vorweisen. Diese Kompetenzen haben wir nicht.
Mit dieser Einschätzung ist der Chefökonom des Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse nicht allein. Auch für den damaligen Schweizer Botschafter in China, Bernardino Regazzoni, hat das Memorandum kaum etwas gebracht.
In der Absichtserklärung haben sich die Schweiz und China für eine engere Zusammenarbeit bei der «Neuen Seidenstrasse» ausgesprochen. Das Ziel: Schweizer Firmen sollten sich einfacher an Projekten beteiligen können. Dass dies der Schweizer Wirtschaft unmittelbar mehr Aufträge bringen würde, sei aber nicht zu erwarten gewesen, so Minsch. Denn für Schweizer Unternehmen sei es schwierig, an den gigantischen Infrastrukturprojekten teilzunehmen. Die Chinesen könnten eine grosse Erfahrung vorweisen. «Diese Kompetenzen in dieser Grössenordnung haben wir nicht.»
Wichtiges politisches Signal für China
Ausserdem sei der Wettbewerb oft nicht ganz fair: «Es ist ein offenes Geheimnis, dass viele Projekte von China quasi quersubventioniert werden und entsprechend die Anbieter auch preislich derart günstig anbieten können, dass die Schweizer Unternehmen nicht mithalten können,» sagt Minsch.
Die Bilanz der neuen Seidenstrasse fällt für die Schweiz bisher also bescheiden aus. Der ehemalige Botschafter, Bernardino Regazzoni, sagt sogar, dass im Rückblick betrachtet das «Memorandum of Understanding» vor allem China genützt habe. «Zu zeigen, dass ein wichtiger europäischer wirtschaftlicher Partner an Bord ist, ist ein gutes politisches Resultat für China.»
Das Memorandum ist ein Gütesiegel, dass man uns trauen kann.
Diese Aussage ist umso brisanter, weil die «Neue Seidenstrasse» ja eine starke geopolitische Komponente aufweist. Oder anders gesagt: Sie dient China auch dazu, seinen Einfluss in der Welt auszubauen. Hat man China also viel gegeben und nichts dafür bekommen? Nein, sagt Martin Hirzel, Präsident von Swissmem, dem Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie. Die Absichtserklärung nütze durchaus: «Wenn die Unterzeichnung dieses Memorandums auch nur symbolischen Charakter hatte, dann ist es trotzdem ein Türöffner für Schweizer Industrieunternehmen. Es ist ein Gütesiegel, dass man uns trauen kann.»
Und auch Economiesuisse-Chefökonom Rudolf Minsch sagt: Längerfristig könnte die «Neuen Seidenstrasse» der Schweiz durchaus etwas bringen. Das Projekt führe nämlich zu mehr Handel und damit zu mehr Wachstum in den beteiligten Ländern: «Das sollte wiederum positive Effekte auf die Nachfrage nach Schweizer Produkten und Dienstleistungen haben. Aber da vergehen noch einige Jahre.» Ob sich diese Hoffnung bewahrheitet – und sich längerfristig der Nutzen für die Schweiz und für China die Waage halten, muss sich also noch zeigen.