Die Pandemie, der Krieg in der Ukraine und die Spannungen zwischen China und den USA haben ein Umdenken in Rom bewirkt. Italien steht fest im westlichen Lager. Der Flirt der Regierung Conte von der Fünf-Sterne-Bewegung mit Peking ist vorbei.
Rom wollte 2019 dem Projekt der neuen Seidenstrasse beitreten, und Peking seinerseits umgarnte Rom am Anfang der Coronakrise mit einer «Seidenstrasse der Gesundheit». Es schickte 2020 Atemschutzmasken, Atemgeräte und Hilfspersonal nach Italien.
Tempi passati. Neu gilt in Italien: Der Staat ist zurück, der Staat soll mehr Kontrolle auf die Wirtschaft ausüben. Das hat nicht nur mit der neuen sicherheitspolitischen Lage zu tun, Stichwort Abhängigkeit von russischem Gas.
Privatisierungen sind gescheitert
Die Generation Meloni, sprich die italienische Premierministerin und ihre Weggefährten, hält die Privatisierungen seit den 1990er-Jahren für gescheitert. Und dafür gibt es tatsächlich auch einige Argumente: 2022 sind noch fünf italienische Unternehmen auf der Liste der 500 umsatzstärksten Unternehmen der Welt, 1995 waren es mehr als doppelt so viele.
So war etwa die Privatisierung der einstigen Fluggesellschaft Alitalia ein jahrzehntelanges, teures Trauerspiel. Zuerst der Einstieg von KLM, dann von Air France und KLM und schliesslich von Etihad aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Alle scheiterten, der italienische Staat musste immer Geld einschiessen, und trotzdem ging Alitalia im Herbst 2021 unter. Die Nachfolgegesellschaft ITA ist nun wieder vollständig in Staatsbesitz. In einem neuen Versuch soll ITA jetzt an Lufthansa gehen, aber nur teilweise.
Starke Staatsrolle hat Tradition
Ein zweites Beispiel: Im Moment laufen Verhandlungen über den Verkauf des Netzes des Telekommunikationsunternehmens TIM an den amerikanischen Equity Fund KKR. Auch hier will der italienische Staat eine Sperrminorität in seinen Händen behalten, insbesondere was die wichtige Sparte der Unterwasserkabel betrifft. Eine Entscheidung soll noch im September fallen.
Eine starke Rolle des Staates hat in Italien Tradition. Ganze Branchen waren in Staatsbesitz. Staatliche Protektion und Lenkung waren normal. IRI, das Istituto per la Riconstruzione Industriale aus Mussolinis Zeiten, war bis zu seiner Abwicklung im Jahr 2000 der grösste Staatskonzern der westlichen Welt. Er hatte 400'000 Beschäftigte und zahlreiche Industrieunternehmen in seinem Besitz. IRI scheiterte an Misswirtschaft und Vetternwirtschaft der Politik, insbesondere der Democrazia Christiana.
Und hier beisst sich die Katze in den Schwanz: Italien hat die richtige Balance zwischen Staat und Wirtschaft nie richtig gefunden.