Bei seinem Besuch in Italien wird Chinas Präsident Xi Jinping am Donnerstag eine Absichtserklärung unterzeichnen, wonach Peking und Rom bei der «neuen Seidenstrasse» offiziell zusammenarbeiten wollen. Das Abkommen sei für Italien allerdings kaum von Vorteil, ist der Chinaforscher Thomas Eder überzeugt.
SRF News: Warum bringt das Abkommen Italien nicht viel?
Thomas Eder: Zwischen einer politischen Erklärung und dem Handels- und Investmentvolumen besteht nicht zwingend ein Zusammenhang. So haben inzwischen schon bis zu 120 Staaten bilaterale Erklärungen mit China die neue Seidenstrasse betreffend abgeschlossen. Doch in kaum einem dieser Länder hat sich die Handelsbilanz positiv verschoben.
Warum setzen die Chinesen jetzt auf ein Memorandum mit Italien?
China will die Seidenstrassen-Initiative vor allem dafür nutzen, die Legitimität der Regierung zu stärken. Die chinesische Wirtschaft soll davon profitieren, aber auch das internationale politische Prestige Pekings. Wenn nun ein EU-Gründungsmitglied und G7-Staat wie Italien ein Memorandum unterzeichnet, welcher Xi Jinpings Politik unterstützt, ist das für Peking ein politischer Erfolg.
Chinesische Firmen sollen globale Marktanteile hinzugewinnen.
Was wollen die Chinesen in Europa erreichen?
China will mit der neuen Seidenstrasse grundsätzlich seine Unternehmen dabei unterstützen, global tätig zu sein. So sollen zum Teil Aufträge ersetzt werden, die in China wegfallen. Auch sollen die chinesischen Unternehmen international Marktanteile hinzugewinnen. Dafür erhalten die Firmen quasi als Starthilfe günstige Kredite von der Regierung.
Auch Portugal und Griechenland wollen beim neuen Seidenstrassen-Projekt mitverdienen. Ist es Zufall, dass das alles Länder sind, die wirtschaftliche Probleme haben?
Keineswegs. Diese Länder haben Probleme, ausländische Investoren anzuziehen, deshalb erhalten die Chinesen jetzt gute Deals. China kann sich dort zu guten Konditionen Vermögenswerte sichern, die es später vielleicht so nicht mehr erhielte – und auch in anderen Ländern nicht. Am meisten Investitionen aus China ziehen wertmässig jedoch weiterhin die drei grossen EU-Länder Deutschland, Frankreich und Grossbritannien an – sie haben in den Bereichen Infrastruktur, Transport, Energie und Kommunikation die attraktivsten Ziele. So ist etwa mehr als eine Milliarde Euro aus China in den Meerwindpark in der Nordsee geflossen.
Für afrikanische Länder ist das chinesische Engagement auch ein Risiko – schliesslich müssen die gewährten Kredite auch wieder zurückbezahlt werden. Besteht dieses Risiko auch für Europa?
Für Westeuropa nicht. Hier geht es um Direktinvestitionen chinesischer Unternehmen. Doch bei den Staaten am Westbalkan oder im Südkaukasus, wo ein laxeres regulatorisches Umfeld herrscht, gibt es chinesische Infrastruktur-Bauten im Rahmen der neuen Seidenstrasse.
Schwache und kleine Volkswirtschaften könnten sich mit den chinesischen Krediten überheben.
Im Normalfall vergeben chinesische Politikbanken dafür Kredite und zugleich Aufträge an chinesische Bauunternehmen. Die Kredite müssen später von den betreffenden Staaten an Peking zurückbezahlt werden. Dabei besteht die Gefahr, dass sich die Regierungen relativ kleiner und schwacher Volkswirtschaften überheben.
Ist die neue Seidenstrasse für Europa eher ein Risiko oder eher eine Chance?
Sie ist beides. Derzeit sind beide Extreme – die Alarmglocken und die rosarote Brille – zu stark ausgeprägt. Wichtig ist zu wissen, worum es bei der neuen Seidenstrasse geht, um dann auch davon profitieren zu können.
Das Gespräch führte Christoph Kellenberger.