Chinas «Belt and Road»-Initiative, auch neue Seidenstrasse genannt, gilt als das grösste Infrastrukturprojekt der Neuzeit. Peking will sowohl auf dem Wasser wie auch auf dem Land massiv mehr Güter in die Welt und nach Europa schicken.
Die Initiative besteht aus zahlreichen Projekten: Sie reichen von Wasserkraftwerken in Pakistan bis zu Autobahnen im Balkan.
Allerdings sind die Projekte gar nicht alle miteinander verknüpft, erklärt Martin Aldrovandi. Der ehemalige China-Korrespondent von SRF sagt: «Einiges wurde auch noch später unter das Dach der neuen Seidenstrasse genommen.»
Als Chinas Staatschef Xi Jinping vor knapp zehn Jahren erstmals seinen Plan für die «Seidenstrasse des 21. Jahrhunderts» ankündigte, war das Konzept schwer zu fassen. Stand heute hat China entlang der Land- und Seehandelsrouten systematisch Beteiligungen an strategisch wichtigen Infrastrukturen erworben. Die Rede ist von rund einer Billion US-Dollar.
Laut Xi erreichen Güterzüge aus China heute 200 Städte in 24 europäischen Ländern. Weltweit sei in rund 100 Häfen in über 60 Ländern investiert worden. So auch beispielsweise in Sri Lanka, wo sich China im Hafen Hambantota für 99 Jahre die Führung gesichert hatte.
Experten gehen davon aus, dass China zum weltweit wichtigsten öffentlichen Geldgeber für Entwicklungs- und Schwellenländer geworden sei. Der Ökonom Sebastian Horn schätzte im Interview mit der NZZ, dass China mehr Kredite vergibt als die Weltbank oder der Internationale Währungsfonds.
Viele Staaten haben sich verschuldet, und es ist fraglich, ob sie das Geld je zurückzahlen können.
Der Vorwurf aus dem Westen: China betreibe «Schuldendiplomatie». Martin Aldrovandi erklärt: «Viele Staaten haben sich für die Projekte hoch verschuldet, und es ist fraglich, ob sie das Geld je zurückzahlen können.» Auch darum habe die Skepsis gegenüber der neuen Seidenstrasse in den vergangenen Jahren zugenommen.
Denn letztendlich steigen mit den Schulden auch die chinesischen Einflussgebiete. So beobachtet SRF-Australien-Korrespondent Urs Wälterlin bei verschiedenen Pazifik-Inselstaaten: «Wer Geld will, muss Peking unterstützen und sich beispielsweise diplomatisch von Taiwan abwenden.»
Doch schieben die Pandemie, der Krieg in der Ukraine und eine abkühlende Weltwirtschaft dem chinesischen Prestige-Projekt nicht einen Riegel vor? Das Gegenteil könnte der Fall sein.
Mit chinesischen Investitionen durch die Krisen
Denn China kann mit seinen finanziellen Mitteln dort in die Bresche springen, wo gewisse Staaten selbst nicht mehr aus wirtschaftlichen Schwierigkeiten herauskommen. So sprach Xi Jinping am diesjährigen kommunistischen Parteitag von «Chinas Beitrag zu einer Weltwirtschaft, die allen Völkern grösseren Nutzen bringt.»
Chinas Staatschef betonte gleichermassen, wie die neue Seidenstrasse den Wohlstand inmitten der anhaltenden Corona-Pandemie fördern würde.
Die geopolitischen Hindernisse bleiben dennoch. Die im Rahmen der «Belt and Road»-Initiative geplanten Wirtschaftskorridore, die beispielsweise durch Russland, die Ukraine oder den Iran führen, sind nicht zwingend stabil.
Es ist grundsätzlich ein wenig stiller geworden um die neue Seidenstrasse.
Der aktuelle China-Korrespondent von SRF Samuel Emch findet: «Es ist grundsätzlich ein wenig stiller geworden um die neue Seidenstrasse.» Und das sei mitunter den geopolitischen Entwicklungen geschuldet.