Erinnern Sie sich an «Die Frauen von Stepford»? Das Buch erzählt von Männern, die ihre Frauen per Chip im Hirn in perfekte Hausfrauen verwandeln: makellos frisiert und jeden Wunsch erfüllend. Für die meisten ist das ein Albtraum. Tradwives aber würden sich in Stepford wohl ganz wohl fühlen.
Trad ... was?
Unter der Selbstbezeichnung #tradwife, kurz für «traditional wife», vernetzen sich online Gleichgesinnte: Frauen in ihren Dreissigern und Vierzigern, die das Hausfrauen-Leben als Lifestyle entdeckt haben.
Sie wolle sich ihrem Ehemann einfach «unterordnen und ihn verwöhnen als sei es 1959», erzählte etwa Alena Kate Pettitt, eine der frühesten und bekanntesten Tradwives, der BBC. Auf Social Media zeigt sich die Britin am Blümchen-Bügelbrett oder im Retro-Rock – lässig lächelnd an den Staubsauger gelehnt.
Das sieht aus wie Satire, erfüllt andere Frauen aber mit Stolz. Die Betreiberin des Benimm-Blogs «The Darling Academy» ist eines der Aushängeschilder der Tradwife-Bewegung in Grossbritannien und den USA.
«Als sei es 1959»
Auf Blogs, Youtube und Instagram propagieren Tradwives einen Alltag zwischen Heim und Herd: Sie posieren beim Putzen, backen Brot, flechten Frisuren.
Sie teilen Tipps für eine harmonische Ehe («husbands ALWAYS come first») und Videos über «natural femininity», «ladylike behaviour» oder die Vorzüge von Kindern statt Karriere.
Sie halten die Werte der 1960er-Jahre hoch – und holen die aus dem Zeitgeist gefallenen Geschlechterrollen wieder in die Gegenwart. Ist das nun harmlose Nostalgie oder gefährliche Verklärung?
Feminismus von rechts
Blickt man in die USA, scheint es manchen Tradwives um mehr als altbackene Knigge-Regeln und Tee-Kränzchen zu gehen: Dort steht zumindest ein Teil der Bewegung der Alt-Right-Szene nahe.
Als Postergirls der Neuen Rechten sollen sie deren rückwärtsgewandte Ideale an die Frau bringen, vermuten die New York Times und die Extremismusforscherin Julia Ebner.
Dafür nutzen sie die sozialen Medien – und eine Sprache der Selbstermächtigung. Tradition verkaufen sie als «Rebellion». Den Rückzug ins Private als «selbstbestimmt», gar «feministisch» und als «Schutz» vor Ausbeutung in der Arbeitswelt. Unheimlich wird es, wenn einzelne Tradwives nebenbei dafür werben, «weisse Babys» zu gebären.
Businessladies im Blümchenkleid
Doch die meisten Tradwives behaupten, sie verfolgten keine politische Agenda. Ihr ginge es einfach darum, «endlich sich selbst zu sein», sagt etwa Knigge-Königin Alena Kate Pettitt.
Von den BBC-Journalisten darauf angesprochen, dass die Idealisierung der Hausfrau, die sich dem Ehemann unterordnet, auch bei den Nazis beliebt war, erwidert sie: «Wirklich? Das habe ich gar nicht gewusst.»
Tatsächlich könnte hinter dem missionarischen Eifer der meisten Tradwives ein anderes Motiv stehen: Für Retro-Chic gibt's Klicks – und mit eigenen Ratgebern, Work- und Webshops lässt sich wunderbar Geld verdienen. Und so steckt im Gewand der braven Hausfrau wohl ab und an eine geschickte Unternehmerin.
Dieser Artikel wurde in einer ersten Version im Jahr 2020 veröffentlicht.