Alle reden von Erschöpfung. Eltern, Kinder, pflegende Seniorinnen, Klinikpersonal. In der Arbeitswelt greifen Programme gegen Burn-out nur so um sich. Denn: Ist die Erschöpfung erstmal da, ist es zu spät.
In seinem Buch «Die Anti-Erschöpfungsstrategie. 7 Wege zu innerer Kraft» gibt der Heidelberger Therapeut Jörg Berger Tipps zu einem entspannteren Leben.
Freundlich zu sich selbst sein
Wir sollen uns vor allem selbst befragen: Was tut mir gut? Was stresst mich? Welche Beziehungen geben mir Kraft? Welche kosten Kraft?
Gute Beziehungen sind ein Hauptfaktor für Gesundheit. Das hat die klinische Psychologie längst nachgewiesen.
Darum sollten wir unsere Kraft in jene Beziehungen stecken, die uns guttun, erklärt Berger. Beziehungen zu schwierigen Menschen sollte man ruhen lassen. Das fällt gar nicht so leicht. Vor allem, wenn es sich bei den «schwierigen Menschen» um den Bruder oder die beste Freundin handelt.
Zehn Prozent aller Menschen sind verhaltensgestört
Für solche Fälle hat Jörg Berger folgenden Rat: Es gebe Mitmenschen, mit denen es unmöglich sei, eine gesunde Beziehung führen. Der Psychotherapeut nennt sie «stachelig». Laut Statistik habe jeder zehnte Mensch eine soziale Verhaltensstörung.
Allein mit dieser Information konnte er schon viele seiner Patientinnen und Patienten entlasten, erzählt er.
Emotionaler Energiesparmodus
Viele Beziehungen sind gesetzt, etwa familiäre oder jene zu Arbeitskolleginnen oder Nachbarn. Trotzdem gibt es Strategien, mit schwierigen Menschen umzugehen, denen man nicht ganz aus dem Weg gehen kann.
Freundlich, respektvoll, wertschätzend solle man sein – ohne sich zu sehr zu öffnen. Abwertung solle man nicht zu nah an sich heranlassen. Wer es schafft, von Menschen, die ständig ihre «Stachel» ausfahren, nichts mehr emotional Positives zu erwarten, ist nicht mehr so verletzbar. «Da hat man überraschende Spielräume», sagt Berger. Distanzierung könne emotionale Energie sparen.
In Jörg Bergers Praxis in Heidelberg kommen viele Menschen mit sozialen Berufen und christlichem Hintergrund. Oft können sie nicht loslassen, wollen jedem Mitmenschen helfen, auch «schwierigen» Personen.
Mit ihnen spricht er darüber, dass ein gesunder Selbstschutz vor «toxischen» Menschen nicht dem Gebot der Nächstenliebe widersprechen muss. Schliesslich gehört zum biblischen Nächstenliebe-Gebot auch der liebevolle Umgang mit sich selbst.
Die eigenen Beziehungen zu überprüfen und die giftigen auszusortieren, sei höchst sozial. Auf die Trennung oder Distanzierung von Menschen, die uns nicht guttun, folge nämlich das Gefühl von Befreiung, erlebt Jörg Berger bei seinen Klientinnen. Kraft, die bisher in schwierige Beziehungen investiert wurde, wird frei. Kraft, die dann in Beziehungen gesteckt werden kann, die guttun.
Gegenkultur zur Erschöpfungsgesellschaft
Die gängigen Techniken gegen Erschöpfung, zum Entspannen und gesünder Leben seien richtig und wirksam, betont Berger. Er unterstreicht nur: Alles wirke besser und wir blieben motivierter, wenn wir in guter Gesellschaft sind.
Uns von erschöpfenden Beziehungen zu distanzieren, privat und beruflich, das sei also kein Egotrip. Im Gegenteil: Wir dürfen selbst entscheiden, wer Anspruch auf unsere Kraft, Zeit und Liebe hat.