August 2018: Franka Frei hat ihre Bachelorarbeit zum Thema «Tabu Menstruation» abgeschlossen. Ihre Erleichterung packte sie in einen Facebook-Post.
Darin beschrieb Franka Frei, wie harzig der Weg zum Abschluss ihrer Arbeit war. Sie wollte ergründen, wie der tabuisierte Umgang mit der Menstruation zutage tritt: in der Werbung, auf Social Media, im Alltag. Doch sie fand keine Betreuung. Das Thema sei nicht wissenschaftlich, hiess es. Es gebe keine Forschungslücken in dem Bereich – und das Thema sei ein Tabu.
Dann erst recht, sagte sich die junge Studentin. Nach viel Bemühen fand sie doch noch eine Betreuerin, schrieb die Arbeit, schloss mit Bestnote ab und teilt in besagtem August Frust und Freude mit der Welt.
Reise nach Pakistan
Die Resonanz auf ihre leidenschaftlich geschriebenen Zeilen war enorm. 42’000 Menschen aus aller Welt reagierten auf den Beitrag, tausendfach wurde er geteilt. Mit ihren Worten traf Franka Frei einen Nerv der Zeit.
In Kommentaren und Nachrichten erhielt sie Schilderungen persönlicher Perioden-Erlebnisse, begeisterte und ablehnende Kommentare. Und die Einladung einer pakistanischen Aktivistin, sie zu besuchen.
Kurzentschlossen packte Frei ihren Rucksack und reiste während mehrerer Monate durch Pakistan, Indien, Bangladesh und Nepal. Dabei besuchte sie verschiedene Aktivistinnen, sprach mit ihnen über ihren Umgang mit der Menstruation und begleitete sie bei Workshops.
Hohe Steuern, grosse Scham
Die Erlebnisse dieser Reise erscheinen nun im Buch «Periode ist politisch». Darin bleibt es nicht beim wohlwollend-interessierten Blick auf die besuchten Länder: Das Buch wechselt zwischen Reisebericht und historischem Rückblick, vereint Forschungsergebnisse und Analysen von Werbung mit Erinnerungen an den Beginn der eigenen Periode.
«Periode ist politisch» ist ein flott geschriebener Rundumschlag. Die 24-jährige Franka Frei kritisiert Inszenierung und Besteuerung von Monatshygieneprodukten, setzt den weiblichen Zyklus in den Kontext des kapitalistischen Systems, weist auf die lange Geschichte der Periodenscham hin und benennt wirkmächtige ökologische, ökonomische und gesellschaftliche Folgen des Tabus.
Blumenduft statt Blut
Manche mögen denken: Ein Tabu, in einer aufgeklärten Gesellschaft, in der man über alles spricht? «Ein Tabu heisst nicht, dass niemand jemals darüber spricht», betont Franka Frei. Ein Tabu sei etwas Unterschwelliges, Unbewusstes. «Wir haben irgendwie gelernt: Menstruation ist peinlich, das sollte ich verstecken, für mich behalten.»
In der Folge verströmen Binden in der Werbung Blumenduft und sind mit sterilem, blauem Gel statt Blut befleckt. Im Büro schieben viele Frauen Kopfschmerzen vor, statt zu sagen, dass sie ihre Tage haben. Oder verstecken den Tampon verschämt im Ärmel, bis sie die Toilette erreichen.
Ein Müllberg aus Tampons
Durch die Tabuisierung der Periode fehle auch Wissen darüber. Ökologische Folgen dessen seien beispielsweise gigantische Müllberge. Auf ein Leben hochgerechnet verbrauche ein menstruierender Mensch hierzulande 12'000 bis 17'000 Tampons und Binden.
Eine herkömmliche Binde besteht bis zu 90 Prozent aus Kunststoff. Da man nicht darüber spreche, werde auch nicht hinterfragt: Was steckt da drin? Weshalb müssen Hersteller keine Inhaltsstoffe angeben? Wo landet der ganze Müll?
Der Zyklus gilt als zu komplex
Eine weitere Folge des Tabus stellt Franka Frei im Bereich der Forschung fest. Bis heute würden Medikamente vorwiegend an Männern getestet, weil der weibliche Menstruationszyklus und dessen Auswirkungen auf den ganzen Körper als zu komplex gelten.
Zudem seien das prämenstruelle Syndrom PMS oder die Krankheit Endometriose, die mit der Periode zusammenhingen, schlecht erforscht. Und auch wirtschaftlich schlägt der tabuisierte Umgang negativ zu Buche, vor allem in Ländern des Südens: Da führen Stigmatisierung und Mangel an sanitären Anlagen und Mitteln unter anderem dazu, dass Frauen und Mädchen während ihrer Tage nicht ihrem Alltag nachgehen können, dass sie bei Arbeit und Schule fehlen.
Teil einer Bewegung
«Patriarchat und Kapitalismus haben den Uterus besetzt. Es ist an der Zeit, ihn zurückzuerobern»: Diese kämpferische Ansage formuliert Franka Frei in ihrem Manifest.
Sie will damit Teil einer Bewegung sein. «Eine Bewegung, die fordert, dass wir das Menstruationstabu brechen. Dass wir aufhören, Frauen dafür zu beschämen, dass sie einen Zyklus haben. Denn wir sind alle nur da, weil es diesen Zyklus gibt!»
Sendung: SRF 1, Kulturplatz, 4.3.2020, 22:25 Uhr