Der Papst persönlich hat am Mittwoch die beiden Bischöfe aus Basel und Chur, Felix Gmür und Joseph Maria Bonnemain, empfangen. «Er hat unser Anliegen gut verstanden. Er hat gesagt, die Schweiz ist klein. Es sei klar, dass wir ein nationales Gericht errichten wollen», berichtet der Basler Bischof Felix Gmür von dem Treffen.
Schweizer Straf- und Disziplinargericht kommt
Das kirchliche Straf- und Disziplinargericht der Schweiz soll 2024 errichtet werden. «Ich gehe davon aus, dass wir das schaffen», sagt Gmür. Wie dieses Gericht im Detail funktionieren wird, ist noch nicht geklärt.
So viel ist klar: «Es ist ein kirchliches Gericht, es fällt kirchliche Strafen», so Gmür. Es sollten also Menschen dabei sein, die sich im Kirchenrecht auskennen. «Es können aber auch professionelle Richterinnen und Richter dabei sein, die sich in Strafprozessen auskennen.»
In Italien oder Deutschland gibt es solche Kirchengericht bisher nicht. Nur in Frankreich besteht ein entsprechendes Pendant. Aber anders als im Falle von Frankreich soll in der Schweiz das kirchliche Gericht auch sexuellen Missbrauch an Jugendlichen ahnden können.
Öffnung der Archive
Ein weiterer entscheidender Punkt: Das Archiv des Vatikans und der päpstlichen Nuntiatur in der Schweiz – also der Botschaft des Vatikans – soll neu zur Aufklärung von Missbrauchsfällen zugänglich sein. Das Archiv des Vatikans soll sogar punktuell für Forschende geöffnet werden.
Die Akten der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz sollen nicht mehr nach zehn Jahren vernichtet werden: «Wir haben beschlossen, dass wir Akten im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen – im Rahmen der Schweizer Datenschutzgesetze – nicht vernichten, obwohl man das nach zehn Jahren tun sollte», berichtet Gmür.
Bislang wurden solche Unterlagen geschreddert, es blieb nur eine kurze Aktennotiz. Anders als im Strafrecht verjährt sexueller Missbrauch im Kirchenrecht nicht und kann also auch nach Jahrzehnten geahndet werden.
Vor dieses neue kirchliche Straf- und Disziplinargericht kämen alle Fälle, in denen man beschlossen habe, einen Prozess zu führen, sagt Gmür. «Das heisst, der Priester muss noch leben. Und man muss genügend Akten oder Zeugenaussagen haben.»
Wie viele das sein werden, ist unklar. Viele Missbräuche liegen Jahrzehnte zurück. Aber die Öffnung der Archive erlaubt bald eine bessere Verfolgung.
Letzte Instanz Papst
Das geplante Schweizer Straf- und Disziplinargericht der römisch-katholischen Kirche entscheide aber nicht letztinstanzlich, also nicht ohne Zustimmung des Papstes, erklärt Bischof Gmür. «Der Entscheid wird in der Schweiz gefällt, aber in Rom sozusagen besiegelt. Ich glaube nicht, dass sich das ändert. Zum Beispiel einen Priester suspendieren, das kann nur der Papst.»
Nun fiel also der Startschuss. Wie effizient das Gericht funktionieren wird, entscheidet sich in den kommenden Monaten.