Am aktuellen Cover der Modezeitschrift «Vogue» scheiden sich die Geister. Darauf ist die ukrainische First Lady Olena Selenska zu sehen, die Gattin Wolodimir Selenskis.
In schlichter, hochwertiger Kleidung sitzt sie auf einer Treppe und blickt in die Kamera. Die Aufnahmen stammen von der Starfotografin Annie Leibowitz.
Im Artikel spricht Olena Selenska von der emotionalen Belastung der vergangenen Monate und von ihrer Überzeugung, dass die Ukraine den Krieg gewinnen werde. Eigentlich sei sie ein zurückhaltender Mensch und suche die Öffentlichkeit nicht. Der Krieg habe dies jedoch verändert.
«Megasympathisch» bis «peinlich»
In den sozialen Medien sorgt die Story für gemischte Reaktionen. Die einen loben die inspirierende Geschichte, die «megasympathische First Lady» und die Kraft der Bilder von Leibowitz.
Andere fragen, was das Thema in einem Modemagazin zu suchen habe, oder bezeichnen das Fotoshooting als «peinlich».
Auch das Urteil der deutschsprachigen Presse fällt eher kritisch aus. «Glamour trifft Krieg – eine eigenartige Kombination», schreibt etwa der österreichische «Kurier». Andere Medien werden noch deutlicher.
NZZ Bellevue: Gehen Mode und Krieg zusammen?
Journalistin Malena Ruder etwa fühlt sich unbehaglich angesichts der perfekt inszenierten Bilder. Krieg und Mode passten nicht zusammen, auch wenn sich Selenski mit seinen militärgrünen T-Shirts ganz bewusst einen Macher-Look verpasste, so Ruder.
Die «Vogue» thematisiere diese Widersprüche zwar, löse sie aber nicht auf. Es sei fragwürdig, wenn ein Bericht aus einem Kriegsgebiet gleichzeitig die Frage behandle, welche Modelabels eine Politikerin trägt.
Die Bilder wirkten werberisch und nicht ganz authentisch, schreibt die Journalistin weiter. Zudem fragt sich Ruder, weshalb es fotogene Politikerinnen wie Michelle Obama oder Olena Selenska auf das «Vogue»-Cover schafften, während das etwa auf die ehemalige deutsche Kanzlerin Angela Merkel nicht zutraf.
Süddeutsche Zeitung: Krieg? Make it fashion!
Bissig fällt der Kommentar der Journalistin Julia Werner aus. Mode dürfe zwar politisch sein, aber bitte nicht ausgerechnet in der «Vogue». Weil das Ansehen der Zeitschrift verblasse, würde diese zunehmend auf Politik setzen.
Das gelinge aber nicht. Vielmehr störe der Bruch zwischen Selenskas «perfekt gestyltem Haar» und den Ruinen hinter ihr. Diese Mischung aus Kriegsreportage und Homestory im Artikel mache die Hochglanzbilder noch verstörender. Zwar sollten diese reportagenhaft wirken, seien aber so durchinszeniert wie eine Mode-Werbekampagne.
Auch aus feministischer Sicht hinterlasse die Fotostrecke einen bitteren Nachgeschmack, laute die Botschaft doch, dass der Mann Krieg führe, während die Frau «zuständig für Kinder und Gedöns» sei, so Werner.
Welt: Bilder der Entschlossenheit
Journalistin Faina Voskanian ist beeindruckt von den Aufnahmen, die die First Lady gemeinsam mit ihrem Mann zeigen. Man sehe den Gesichtern der beiden den Stress der vergangenen Monate an. Gleichzeitig vermittelten die Aufnahmen einen starken Zusammenhalt.
Während sie keine eindeutige Stellung zum Für und Wider des «Vogue»-Artikels bezieht, erwähnt Voskanian, wie der Krieg in der Ukraine die Modewelt verändert habe: So rückten ukrainische Mode-Designerinnen und -Designer im Westen zunehmend in den Blick.