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Unerwünschte Begriffe Trumps Kampf gegen die «Woke»-Sprache

Seit Beginn seiner Amtszeit hat US-Präsident Trump mehrere staatliche Programme gestrichen, die sich für sogenannte «Woke-Themen» einsetzen: Diversität, Fairness und Inklusion. Begriffe aus diesem Bereich verschwinden von offiziellen Webseiten.

Die «New York Times» hat sie analysiert und eine Liste von rund 200 Wörtern erstellt, die eingeschränkt oder gar nicht benutzt werden sollen. Linguist Martin Luginbühl erklärt, wie und wieso Sprache politisch eingesetzt wird.

Martin Luginbühl

Sprachwissenschaftler

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Martin Luginbühl ist Professor für Deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Basel.

SRF: Erstaunt Sie, dass die Trump-Regierung Sprache auf Regierungswebsites und in offiziellen Dokumenten ändern lässt?

Martin Luginbühl: Das Ausmass dieser Sprachlenkung ist sehr erstaunlich. Wie wir über die Welt denken, ist zu einem grossen Teil von Sprache geprägt. Was wir aktuell erleben, ist ein Paradebeispiel für politisch-strategischen Sprachgebrauch.

Rund 200 Begriffe sollen vermieden oder gestrichen werden, etwa «Klimakrise» oder «People of Color». Funktioniert diese Sprachlenkung?

Politische Sprachlenkung ist kein neues Phänomen. In der Politik wird Sprache strategisch verwendet. Man spricht hier von sogenannten Schlagwörtern, mit denen die politisch-soziale Welt geordnet und gedeutet wird. Das kann man in allen politischen Bewegungen beobachten.

Neben der Kernbedeutung von Begriffen gibt es auch konnotative Nebenbedeutungen, also bewertende Mit-Bedeutungen.

Ich möchte die Trump-Administration nicht mit dem Nationalsozialismus gleichsetzen, aber letzterer ist ein historisches Paradebeispiel für Sprachlenkung. In der NS-Zeit wurden Begriffe wie «Rassenschande», «Volksfremd» oder «Arbeitsfront» propagiert und dann diktatorisch durchgesetzt.

Neben der Kernbedeutung solcher Begriffe gibt es konnotative Nebenbedeutungen, also bewertende Mit-Bedeutungen. Ein Beispiel ist «Climate Crisis» oder «Klimakrise»: Im Begriff der Krise ist auch eine Bewertung enthalten, die transportiert werden soll. Häufig ist damit dann auch etwas mitgemeint, was getan werden soll.

Welchen gesellschaftlichen Effekt hat dieser Eingriff in den Sprachgebrauch?

Das ist schwer zu prognostizieren. Die «New York Times» hat die Eingriffe der US-Administration auf die Sprache jetzt aufgedeckt. Das Thema ist also im öffentlichen Diskurs angekommen, auf einer Metaebene: als Sprachlenkung. Sie ist auf ein Ziel hin ausgerichtet.

Letztlich geht es um die Kontrolle über private Lebensäusserungen der Menschen in den USA.

Konkurrierende Meinungen und Interpretationsweisen sollen unterdrückt und damit unsichtbar gemacht werden. So sollen Gegenmeinungen und -argumente in der Öffentlichkeit gar nicht mehr vernehmbar sein.

Letztlich geht es auch um die Kontrolle über private Lebensäusserungen der Menschen in den USA. Es geht auch um eher beschreibende Begriffe wie «Behinderung», «Verschmutzung» oder sogar «Frauen». Ob das nachhaltig sein wird und wie breit das getragen werden wird, wird sich zeigen. Es hängt erheblich davon ab, wie Medien diese Sprachlenkung mittragen – oder eben nicht.

Das Gespräch führte Enora Maurer.

SRF 4 News, 12.03.2025, 02:00 Uhr ; 

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