«Haben Sie Erbarmen mit den Menschen, die Angst haben, Herr Präsident», sagte Bischöfin Mariann Budde am Schluss ihrer Predigt. Erbarmen mit den Immigranten, den Flüchtlingen, den transgender Kindern. Worte, die den alten und neuen Präsidenten der USA sichtlich ärgerten. Die er sich aber anhören musste, öffentlich, vor dem grösstmöglichen Publikum.
Mariann Edgar Budde ist keine Unbekannte
Die 65-Jährige, die Trump so direkt mahnte, ist seit 14 Jahren Bischöfin der episkopalen Diözese von Washington, die erste Frau in diesem Amt.
Die Mutter von zwei Söhnen und «in die Enkel vernarrte Grossmutter», wie sie sich selbst auf der Website des Bistums beschreibt, setzt sich ein für Bürgerrechte, für Gleichberechtigung und gegen Rassismus. Dies zeigte sich bereits während der letzten Amtszeit von Donald Trump: Damals kritisierte die Bischöfin den Präsidenten während der Black Lives Matter-Proteste.
Donald Trump hatte sich mit einer Bibel in der Hand vor eine episkopale Kirche gestellt, um die Proteste zu verurteilen. Bischöfin Mariann Budde erklärte damals, Donald Trump nutze zwar christliche Symbole, verbreite aber eine Botschaft, die der Bibel widerspreche. An einer Demonstration sprach sie gar davon, dass man Trump «loswerden» müsse.
Budde unterschrieb zudem im September 2024 gemeinsam mit 200 anderen christlichen Führungspersönlichkeiten einen Brief, der demokratische Werte aus der Bibel ableitete und davor warnte, die Demokratie zu unterwandern.
Reaktion auf Inaugurationsrede von Trump
Der Gottesdienst in Washington National Cathedral hat Tradition. Die Kathedrale wurde erbaut als nationale Kirche, in der bedeutende Gottesdienste abgehalten werden können, vor kurzem etwa die Abdankung des verstorbenen Präsidenten Jimmy Carter. Seit Jahrzehnten feiern Präsidenten nach ihrer Inauguration dort Gottesdienst. Die Predigt hält der zugehörige Bischof oder seit 2014 eben die Bischöfin.
Der Gottesdienst war denn auch bereits seit einem halben Jahr in Planung, unabhängig davon, wer die Wahl gewinnen würde. Bischöfin Mariann Budde sagte in den Medien, sie habe eigentlich nicht politisch werden und vor allem zur Gemeinde predigen wollen. Doch nach der Inaugurationsrede von Donald Trump habe sie sich verpflichtet gefühlt, sich direkt an den Präsidenten zu wenden.
Christliches Engagement gegen Trump ist typisch
Mariann Budde ist damit gelungen, was wenige christliche Predigten schaffen: Sie hat ein Publikum erreicht, das über die eigene Gemeinschaft hinaus geht. Denn die religiöse Landschaft in den USA ist sehr divers, Gottesdienste besuchen die meisten in der eigenen Gemeinschaft und nirgends sonst. Und so unterschiedlich die Gemeinschaften, so unterschiedlich auch die politischen Haltungen.
Der Einsatz für Migrantinnen und Migranten allerdings vereint viele Konfessionen und Religionen. Im «Sanctuary Movement» haben sich diverse christliche Kirchen, aber auch jüdische Gemeinschaften, zusammengeschlossen, um Flüchtlingen Schutz zu bieten. Donald Trump hatte angekündigt, hart gegen Organisationen vorzugehen, die dies tun. Hier also steht Bischöfin Mariann Budde in einer langen Tradition.