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WEF 2025 «Trump will ein zersplittertes, geteiltes Europa»

Donald Trump ist seit gestern Präsident der Vereinigten Staaten. Was bedeutet Trumps Präsidentschaft für Europa und die Schweiz? Der amerikanische Politologe Ian Bremmer ordnet ein.

Ian Bremmer

Politikwissenschaftler

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Ian Bremmer ist Politikwissenschaftler und bekannt für seine Analysen zu globalen Themen. Er hat mehrere Bücher veröffentlicht und ist Gründer der Eurasia Group, die sich auf die Analyse politischer Risiken spezialisiert hat. Mit seiner Firma GZERO Media verfolgt er zudem das Ziel, geopolitische Themen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Bremmer lehrt an der New York University und der Columbia University.

SRF News: Die ganze Welt schaut auf die USA. Was bedeutet die Amtseinführung von Donald Trump für die Welt?

Ian Bremmer: Mit der Inauguration von Trump wird die bisherige Weltordnung – mit den USA als Leader – aufgebrochen.

Wie meinen Sie das?

Die US-Amerikaner wenden sich gegen die Rechtsstaatlichkeit. Die von den USA angeführte multilaterale Ordnung, die kollektive Sicherheit, der freie Handel, der Multilateralismus, die Förderung der Demokratie – all das wollen die US-Amerikaner nicht mehr.

Eine der wichtigsten Ankündigungen Trumps ist es, Zölle einzuführen und illegale Einwanderer abzuschieben. Wird er das wirklich tun?

Ich glaube schon. Er ist heute in der Lage, seine Ankündigungen aus dem Wahlkampf umzusetzen. Das ist viel stärker der Fall als bei seiner ersten Wahl vor acht Jahren.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen werden grösser sein, als man das heute erwartet.

Klar, manches davon ist auch Verhandlungstaktik. Wenn er Kanada und Mexiko mit 25 Prozent Zoll droht, wird es letztlich zu einer Einigung kommen. Aber man wird Zölle sehen – auch gegenüber China. Und es wird Abschiebungen geben. Die wirtschaftlichen Auswirkungen werden grösser sein, als man das heute erwartet.

Was bedeutet das für Europa?

Joe Biden ging davon aus, dass ein starkes Europa den USA in der heute fragmentierten Welt nützt. Trump tut das nicht. Trump will ein zersplittertes, geteiltes Europa, in dem die US-Amerikaner mit einzelnen europäischen Ländern zusammenarbeiten können. Auch Elon Musk hilft aktiv mit, Europa zu spalten und die europäische Führungsrolle zu untergraben. Das sieht man in den verbalen Angriffen von Elon Musk auf die Regierungen in Deutschland und Grossbritannien.

Ich bin ein bisschen überrascht, dass Trump noch nicht angekündigt hat, die Schweiz kaufen zu wollen.

Wie wirkt sich dieses schwierig anmutende Umfeld auf die Schweiz aus?

Ich bin etwas überrascht, dass Trump noch nicht angekündigt hat, die Schweiz kaufen zu wollen. Aber im Ernst: Ich gehe davon aus, dass die Schweiz davon profitiert, eine gewisse Neutralität zu haben – auch wenn diese auf die Probe gestellt wurde, zum Beispiel mit der russischen Invasion in der Ukraine. Letztlich möchte die Schweiz vielleicht nicht zu sehr in andere Länder involviert sein, aber sie profitiert von gemeinsamen Gesetzen, Normen und Werten. All dies wird nun von den USA infrage gestellt. Wenn diese Weltordnung zusammenbricht, ist das natürlich eine schwierige Situation für die Schweiz.

Hätte Kamala Harris die Wahl gewonnen, gäbe es in Gaza keinen Waffenstillstand.

Das klingt alles sehr pessimistisch …

Das ist eine Frage der Perspektive. Trump wird viel erreichen. Er hat gerade einen Waffenstillstand in Gaza erreicht. Hätte Kamala Harris die Wahl gewonnen, gäbe es dort keinen Waffenstillstand. Das ist ein Sieg. Und für die 33 Geiseln in Israel, die jetzt freigelassen werden, ist das auch ein Sieg.

 Wie können Staaten und Unternehmen mit Trump umgehen?

Es gibt drei Strategien, mit denen man auf jemanden wie Trump reagieren kann: Man kann kapitulieren, man kann versuchen, sich zu verteidigen, oder man kann kämpfen. Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat kapituliert, als er ankündigte, die Moderatoren auf seinen Plattformen zu entlassen. Auch die Reaktion der mexikanischen Regierung ist fast eine Kapitulation. Ich denke, China wird kämpfen und die Europäer werden versuchen, sich zu verteidigen.

Das Gespräch führte Harry Stitzel.

10 vor 10, 20.01.2025, 21:50 Uhr ; 

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