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DIE ZUKUNFT DER ERNÄHRUNG: Werden wir alle zu BäuerInnen?
Aus Kontext vom 17.03.2021. Bild: SRF / Matthias Willi
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Mutig in die Zukunft «Weiter so!» ist keine Option

Politökonomin Maja Göpel fordert, dass wir neu denken: die Wirtschaft umkrempeln, nachhaltig leben, Routinen hinterfragen. Dafür braucht es Visionäre. Ein Biobauer und eine Designerin machen’s vor.

Die junge Modedesignerin Stella Meyer entwirft Kleider, die so langlebig, variabel und überzeugend sind, dass wir sie möglichst häufig und ewig tragen sollen und auch wollen. Ihre Abschlussarbeit am Basler Modeinstitut stellt eine komplett neue Art, sich zu kleiden vor – und eine Kritik am Massenkonsum.

eine junge Frau sitzt in einem Ring aus Stein
Legende: Die 28-jährige Stella Meyer denkt Mode radikal: Wie wäre es, wenn wir den ganzen Kleiderschrank auf nur ein Lieblingsstück reduzieren? SRF / Matthias Willi

Eine dieser Ideen, die man als radikal und abwegig abtun könnte. Aber wenn man darüber nachdenkt, öffnet sie die Augen dafür, wie sich die Welt auch zum Besseren verändern könnte.

Dominik Waser, ein 23-jähriger Klimaaktivist aus Zürich, beginnt eine Ausbildung zum Biobauern. Er fordert, dass wir alle Bäuerinnen und Bauern werden – im Geiste zumindest: Es brauche Wissen und Wertschätzung, wenn wir in Zukunft gesunde, ökologisch sinnvolle und fair produzierte Nahrung wollen, sagt er.

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MODE NEU GEDACHT: Wer sich kennt, besitzt weniger Kleider
aus Kontext vom 17.03.2021. Bild: SRF / MATTHIAS WILLI
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Die Designerin und der Aktivist sind Menschen, die auf Veränderung setzen. Für beide ist ein «Weiter so» keine Option. Gehören sie zu einer kritischen Masse? Steht unsere Gesellschaft an der Schwelle zu etwas Neuem, steht ein grösserer Wandel bevor?

Die Anzeichen häufen sich. Sogar das World Economic Forum stand in diesem Jahr im Zeichen eines «Great Reset». Das Wirtschaftssystem sei «nicht mehr fit fürs 21. Jahrhundert», meinte WEF-Gründer Klaus Schwab.

Das aktuelle System bröckelt

Dass die alte Logik des «Immer mehr» nicht mehr funktioniere, beschreibt auch die deutsche Politökonomin Maja Göpel. Ihr wachstumskritisches, pointiert und gut verständlich geschriebenes Buch «Unsere Welt neu denken» steht seit genau einem Jahr auf der Spiegel-Bestsellerliste, seit dem Ausbruch der Pandemie also. Ein Zufall – und vielleicht doch keiner?

Zur Person: Maja Göpel

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Legende: KEYSTONE/DPA/Christian Charisius

Maja Göpel gilt als eine der einflussreichsten Stimmen, wenn es um eine nachhaltige Transformation geht. Die Politökonomin berät die deutsche Regierung zu Veränderungen von Wirtschaft und Gesellschaft.

Sie hat das Netzwerk «Scientists for Future» mitinitiiert und ist Mitglied des «Club of Rome», der vor nun fast 50 Jahren die «Grenzen des Wachstums» diagnostiziert hat.

Neu leitet Göpel als «Director of Research» auch «The New Institute» in Hamburg, das sich ganz dem Thema «Change» verschrieben hat. Mit anderen Forschern und Forscherinnen denkt sie darüber nach, wie man Wirtschaft und Ökologie in Zukunft vereinen kann.

Maja Göpel spricht von «Kipp-Punkten», an denen aus verschiedenen Richtungen gleichzeitig Druck auf ein existierendes System ausgeübt wird:

  • Es gibt neue technologische Möglichkeiten.
  • In der Wirtschaft entsteht mehr Bewusstsein dafür, dass andere Geschäftsmodelle wünschenswert und machbar wären.
  • Die Zivilgesellschaft formiert sich, wie etwa in der jungen Klimabewegung.

In diesen Momenten würden tiefgreifende Veränderungen möglich, so Göpel. In der Bereitschaft, Gewissheiten zu hinterfragen, sieht die Ökonomin eine grosse Chance.

Göpel sagt: Es braucht Menschen, die etwas vorleben. Und Ideen, die andere dazu bringen, über ihre Gewohnheiten nachzudenken. Dann seien auch «grosse politischen Hebel» leichter umzulegen.

Modebranche ist gigantischer CO2-Sünder

Die Modeindustrie ist ein Beispiel für problematische Gewohnheiten. Derzeit offenbart sich, wie überholt ein System des rapiden Kollektionswechsels, einer hochdrehenden Fast Fashion ist. Pullis, Jeans und Jacken überschwemmen den Markt. Doch im Jahr der Lockdowns kauft sie fast niemand.

Corona zeigt uns überspitzt die Funktionslogik der Branche. Mindestens eine halbe Milliarde Kleidungsstücke bleiben in Deutschland unverkauft, schreibt «Die Zeit». In der Schweiz wird die Situation kaum besser sein.

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Bangladesch – die Folgen von «Fast Fashion»
Aus ECO vom 23.12.2019.
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Wandel kann Win-win-Situation sein

Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen warnen, dass die Kleiderschwemme gravierende Folgen hat. Menschen, die in den Nähereien schuften, sind das eine. Gewaltige Mengen an Wasser, Energie und Pestiziden für Anbau und Verarbeitung von Baumwolle sind das andere.

Die Sensibilität für Nachhaltigkeit könnte durch die Pandemie noch weiter zunehmen. Doch lässt sich dieses Bewusstsein in Taten umsetzen, ohne dass wir verzichten?

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Imagineering oder: Wie wir Zukunft neu denken
Aus Sternstunde Philosophie vom 21.03.2021.
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Transformationsforscherin Maja Göpel sagt, wir Menschen scheuen uns vor Verlusten. Wir gewöhnten uns sehr schnell an einen Zustand und denken: Ohne geht es nicht.

In ihrem Buch schreibt sie: «Verzichten heisst in reichen Ländern eigentlich nicht mehr und nicht weniger, als darauf zu verzichten, den Planeten zu ruinieren.» Für sie müsste es darum gehen, die Möglichkeit eines Wandels als Win-win-Situation zu verstehen: fürs Klima und für die Menschen.

Ihre Mission: die Mode revolutionieren

Designerin Stella Meyer traf man bis vor Kurzem im Basler Dreispitzareal, im Mode-Institut der FHNW, wo sie für ihre Masterarbeit modulare Kleidung entwickelt hat. Anzüge, bei denen man jedes Teil beliebig austauschen kann – je nach Wünschen, Moden und Erfordernissen.

Ein Hemd aus fünf bis sechs Teilen – unterschiedliche Stile für viele unterschiedliche Anlässe. Aus einem Jackett wird ganz schnell ein Veston.

Wenn Stella Meyer redet, spürt man, dass sie den Beruf der Designerin als höchst verantwortungsvoll empfindet. Was ihr vorschwebt, ist eine neue Art sich zu kleiden.

Gerade junge Menschen hätten sich oft an «Fast Fashion» gewöhnt. Sie kauften ihre Kleider oft beiläufig, bei billigen Impulskäufen: ein T-Shirt, das man «eben schnell noch mitnimmt». Und danach selten oder auch nie trägt.

«Brauche ich das wirklich?»

Der jungen Designerin geht es nicht um Enthaltsamkeit: «Den Wunsch nach etwas Neuem kann man nicht austreiben – der ist ja auch etwas Tolles, weil dadurch Fortschritt entsteht und man sich ausdrückt».

Aber sie fragt sich, ob wir immer das komplett Neue brauchen – oder ob wir uns in Zukunft auch daran gewöhnen könnten, diesen Wunsch durch etwas Kleineres zu decken. «Wenn ich einen neuen Computer möchte, brauche ich wirklich einen neuen Laptop für 1500 Franken? Oder vielleicht nur ein neues Gehäuse, eine neue Festplatte, ein neues Licht?»

Je hochwertiger, umso langlebiger

Beim Entwerfen ihrer Kleider greift sie auf Konsummuster zurück, die schon einmal da waren. Früher war es üblich, Hemdkragen auszutauschen. Es war normal, in hochwertige, langlebigere Kleidung zu investieren.

Mit Privilegien oder «Erst-mal-leisten-Können» hat das für Stella Meyer nichts zu tun: Ihre Grossmutter, während des Zweiten Weltkriegs aus Polen geflüchtet, hatte nur wenig Geld und lebte jahrelang im Flüchtlingsheim. Doch war ihr Motto: «Ich bin zu arm, um billige Kleidung zu kaufen.»

Eine letztlich coole Haltung, die auch heute den Weg in Richtung Nachhaltigkeit weisen könnte. Was früher mitunter aus Mangel geschah, könnte eine nachhaltige Strategie für heute sein.

Konsumenten müssen sich selbst gut kennen

Daniel und Markus Freitag sind Pioniere einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft. Ihre Taschen aus Lastwagenplanen sind ein Schweizer Klassiker.

Die Zürcher Design-Unternehmer beschäftigen sich auch mit der Herstellung von nachhaltigen Textilien – auch über modulare Kleidung haben sie öfters nachgedacht. Sie sind aber skeptisch, ob das die Lösung der Zukunft sein wird: «Modulare Konzepte scheitern oft in den Details und bestehen den Alltagstest nicht ganz.»

Dennoch finden die beiden Brüder Stella Meyers Entwürfe inspirierend. «Das regt zum Nachdenken an. Wo wohnt die Nachhaltigkeit: in der Langlebigkeit, im Material, in der Kompatibilität?»

Bei ihren Denkübungen zum Thema Bekleidung sind die Brüder zu einem wichtigen Schluss gekommen: «Es ist sehr schwierig, langlebige Kleidung an die Leute zu bringen, wenn die gar nicht wissen, wer sie eigentlich sind.»

Vielleicht ist es am Ende ganz einfach: Wer gut über sich Bescheid weiss, kann auf viele unnötige Käufe verzichten – und ist eher bereit, für die guten Stücke «ehrliche Preise» zu zahlen.

Nachhaltigkeit ist keine Nebensache

Ein Gewinn für Klima und Ökologie, bei gleichzeitig gesteigerter Lebensqualität: Es sind solche Win-win-Effekte, die Bestseller-Autorin Maja Göpel im Sinn hat. Dazu gehörten auf der einen Seite Konsumentscheidungen jedes und jeder einzelnen.

Auf der anderen Seite gehe es um grosse Rahmenbedingungen, etwa die Anpassung des Begriffs «Wachstum» an Werte wie Lebensqualität und Ökologie. Die Politik dürfe Nachhaltigkeit nicht als Nebensache auf der üblichen Wirtschaftsagenda behandeln. Von der aktuellen Klimabewegung sieht sie schon jetzt grosse Impulse hierfür ausgehen.

Viele aus der jüngeren Generation setzen sich kritischer mit dem Konsum von Fleisch und tierischen Produkten auseinander. Und mit der Tatsache, dass unser heutiges Ernährungssystem zerstörerische Auswirkungen auf Klima, Artenvielfalt, Tierwohl, Gesundheit und vieles mehr hat. Will man Wandel im Alltag etablieren, liegt es nahe, gerade bei dem anzusetzen, was wir täglich essen.

Neue Ausbildung während der Krise

Dominik Waser ist einer, der viel Energie in Veränderung steckt. Der 23-jährige ist Klimaaktivist und gelernter Landschaftsgärtner. Er setzt sich dafür ein, dass nachhaltige, sozial produzierte und gesunde Lebensmittel die Norm sind und nicht die Ausnahme.

Er hat bereits mit der Initiative «grassrooted» massenhaft krumme Rüebli «gerettet» und seine Mitmenschen für das Thema «Food Waste» sensibilisiert. Während der Corona-Krise hat er beschlossen, eine vierjährige Ausbildung zum Landwirt zu beginnen.

Derzeit trifft man ihn auf den Feldern eines Demeter-Bauernhofes im Zürcherischen Rheinau. «Ich bin der Überzeugung, dass wieder mehr Menschen in die Landwirtschaft gehen müssen.»

Um zu einer gesunden Ernährungskultur «von der Heugabel bis zur Mistgabel» zu kommen, müssten wir uns mit der enormen Bedeutung von Ernährung und Landwirtschaft auseinandersetzen: Welchen Wert haben Lebensmittel für uns? Wie gehen wir mit Böden und Wasser um? Deshalb sucht er nach neuen Ansätzen, um gesellschaftlich über Ernährungspolitik zu reden.

Kritik an der Agrar-Lobby

Dominik Waser ist Teil der jungen Initiative «Landwirtschaft mit Zukunft». Sie möchte nichts Geringeres als eine «Agrarreform» für die Schweiz, die die Anliegen der jüngeren Generation stärker berücksichtigt.

Die Aktivistinnen und Aktivisten wünschen sich eine echte «Ernährungspolitik», die Produktion und Konsum umfasst, und alles was dazwischen passiert. Sie trennt das Ökologische nicht vom Sozialen und Ökonomischen, weil es in der Realität nicht zu trennen sei.

Viel zu langsam bewege sich die Politik in Richtung mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft – wie die aktuellen Entscheide von Ständerat und Nationalrat bewiesen. Noch immer blockierten isolierte Bundesämter sich gegenseitig, statt ganzheitlich zu denken, sagt Waser. Und eine Agrar-Lobby, die am Status quo festhalte, weil sie daran verdiene, verhindere einen Wandel in dem Ausmass, wie er nötig wäre, um die Klimaziele zu erreichen.

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Unsere Ernährung revolutionieren – wie geht das?
Aus Kulturplatz vom 17.03.2021.
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Ernährungsparlament gegründet

Neben der Arbeit auf dem Hof ist Dominik Waser dabei, viele Menschen zu motivieren, sich über das komplexe Thema auszutauschen. «Ernährungsdemokratie» ist das Stichwort. Gemeinsam mit der Initiative «Landwirtschaft mit Zukunft» möchte er ein «Ernährungsparlament» anstossen.

Am letzten Wochenende geschah dabei ein wichtiger Schritt: das Ernährungsparlament tagte zum ersten Mal, virtuell – und quasi zeitgleich zur Session in Bundesbern. Progressive Bäuerinnen und Bauern, Menschen aus der Verarbeitung, aus der Wissenschaft – aber auch die vielen, die am Ende der Kette vor allem konsumieren.

ein junger Mann sitzt draussen, isst einen Apfel und schaut in die Kamera
Legende: Über Ernährungspolitik sollte in der Gesellschaft viel mehr diskutiert werden, findet Dominik Waser. SRF / Matthias Willi

Die ganze Bandbreite des Ernährungssystems soll miteinander in Austausch kommen – künftig soll das dezentral auf Höfen, in Grossküchen, Bäckereien geschehen. So wollen die Aktivisten vorankommen auf dem Weg, ökologische, gesunde, fair produzierte und für alle bezahlbare Ernährung zu erreichen. Möglichst ohne Ideologie und Besitzstandsdenken.

Bettina Scharrer ist Expertin für Ernährungspolitik am Centre for Development and Environment (CDE) der Universität Bern. Sie sieht Wasers Idee des Ernährungsparlaments als eine gute Möglichkeit, die Entwicklung zu grösserer gesellschaftlicher Nachhaltigkeit voranzutreiben.

Doch sei es wichtig, die Kräfte zu bündeln und mit Institutionen und Organisationen zusammenzuspannen, die sich schon in diese Richtung engagieren. Unser politisches System sei sehr langsam. Der Schwung aus der jungen Bewegung könne jedoch ein Momentum sein, um auf die grosse Dringlichkeit hinzuweisen.

Dominik Waser und seine Mitkämpfer stammen aus der Generation, von der man manchmal sagt: Sie sei die letzte, die das Ruder noch herumreissen kann – und die erste, der am eigenen Körper bewusst wird, dass vieles so nicht weitergehen kann. Vielleicht ist sie ein solcher Kipp-Punkt, von dem die Transformationsforscherin Maja Göpel spricht.

Mutig in die Zukunft: Die Schwerpunkt-Woche

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Legende: srf

Die Coronakrise hat unser Leben verändert. Ein Jahr nach dem Shutdown startet SRF Kultur einen thematischen Schwerpunkt mit Geschichten, die Mut machen, die Welt von morgen zu gestalten. Ab Samstag, 13. März 2021, zeigt SRF den multimedialen Schwerpunkt im Fernsehen, Radio und online.

SRF 1, Sternstunde Philosophie, 21.03.2021, 11 Uhr

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