Zum Inhalt springen

Zeit für mehr Verbundenheit Geschlechterkampf geht in neue Runde – auch wegen Musk und Meta

Patriarchale Bewegungen wähnen sich im Aufschwung. Die Rufe nach einer «Rückkehr zur alten Geschlechterordnung» werden lauter – und münden nicht selten in offene Frauenfeindlichkeit. Die Folge: Männer und Frauen grenzen sich voneinander ab.

Wer den aktuellen Aufschwung der Männerbewegungen verstehen will, kommt am US-Amerikaner Joe Rogan nicht vorbei. Der frühere Kampfsport-Kommentator und Komiker ist heute der erfolgreichste Podcaster der Welt. Rund 90 Prozent seiner Gäste sind Männer, viele davon sind reich, bekannt, einflussreich. Adam Sandler, Peter Thiel, Elon Musk: Sie alle sassen schon vor seinem Mikrofon.

Rogan stellt Fragen, hört zu. Seine Gäste reden über das, was sie gerade antreibt und wie sie die Welt sehen. Widerspruch ist selten, dafür gibt es reichlich Schulterklopfen. Das macht das Zuhören angenehm – fast schon vertraut. Man fühlt sich als Teil eines exklusiven Kreises.

Rogans Einfluss auf junge Männer ist enorm. 2020 unterstützte er bei der Präsidentschaftswahl noch den Demokraten Bernie Sanders. Heute steht er fest hinter Donald Trump – jenem Präsidenten, der die alte patriarchale Rhetorik vom «Recht des Stärkeren» neu aufleben lässt.

Hey Bro, wie geht es dir?

Die Idee des starken Mannes ist wieder en vogue – das scheint auch Meta-Chef Mark Zuckerberg erkannt zu haben. Zu Jahresbeginn kündigte er an, Diversitätsmassnahmen bei Meta zurückzufahren. Zeitgleich wagte er sich ins «Rogan-Universum» und gab sich ungewohnt maskulin: Er lobte Kampfsport, die Jagd und forderte mehr männliche Energie in Unternehmen.

Weitaus radikaler äussert sich der bekannte rechtsextreme Trump Anhänger Nick Fuentes. Nach der US-Wahl verhöhnte er feministische Slogans in Internetvideos. Aus «My Body, my Choice» machte er «Your body, my choice. Forever». Triumphierend feierte er nicht nur Trumps Wahlsieg, sondern auch die Aufhebung des landesweiten Rechts auf Abtreibung.

Frauen ziehen Grenzen

Und die Reaktion der Frauen? Auch sie werden radikaler und kompromissloser. Bereits einen Tag nach Donald Trumps Wahlsieg sprach die US-amerikanische Sängerin Billie Eilish von einem «Krieg gegen Frauen». Gleichzeitig gewinnen Anti-Männer-Bewegungen wie der Tiktok-Trend «Boy-Sober» an Zulauf. Die Idee dahinter: eine zeitweilige Abstinenz von Männern – eine Rückbesinnung auf ein Leben jenseits von Dates und Sex mit dem anderen Geschlecht.

Noch radikaler ist die sogenannte 4B-Bewegung. Sie verfolgt keine temporäre, sondern eine endgültige Abkehr von Männern. Ihr Programm: kein Sex, keine Dates, keine Ehe, keine Kinder mit Männern. Ihren Ursprung hat die Bewegung in Südkorea, einem Land mit stark patriarchalen Strukturen und gleichzeitig hoher Bildung für Frauen. Seit der Wahl von Donald Trump gewinnt 4B nun auch in den USA an Zulauf.

Die 4B-Bewegung in Südkorea zeige, dass Frauen auch zu Massnahmen wie Gebärstreik oder Männerstreik greifen könnten, wenn das System keine lebensfreundlichen Veränderungen zulasse, so der Männerforscher Markus Theunert. Es ist eine Haltung, die der Psychologe nachvollziehen kann: «Gleichstellung wird in westlichen Industrienationen stark auf die Berechtigung verengt, dass Frauen sich so verhalten dürfen, wie das bis anhin Männern vorbehalten war.»

Dies sei jedoch keine echte Emanzipation, sondern lediglich Imitationslernen. Theunerts Folgerung: Dass Frauen sich nicht einfach dem System unterordnen, sondern eine nicht-patriarchale Gesellschaft entwickeln wollen, sei legitim und sinnvoll. Idealerweise gemeinsam mit den Männern, zur Not aber auch ohne sie.

Freiheit statt Anpassung

Emanzipation notfalls im Alleingang? Ein Prinzip, dem auch die Schweizer Soziologin und Geschlechterforscherin Franziska Schutzbach viel abgewinnen kann. Zwar seien Forderungen nach gleichen Löhnen, gleicher Macht oder gleichen Sitzen im Parlament richtig. Das Problem liege jedoch darin, dass Frauen oft in bestehende Strukturen eingesogen würden.

Eine Frau mit einer Brille, rotem Lippenstift und einer glänzenden Bluse.
Legende: In ihrem aktuellen Buch «Revolution der Verbundenheit» schreibt die Geschlechterforscherin Franziska Schutzbach über die Kraft, die weibliche Solidarität in sich birgt. SRF/Daniel Winkler

Es reiche nicht aus, «gleich wie die Männer» zu sein und dabei genauso autoritär zu werden, so die Soziologin. Wichtig sei, dass wir die Systemfrage nicht vergessen. Denn: Sexismus sowie Queer- und Transfeindlichkeit seien keine Randprobleme. Sie entstünden auch in der Mitte der bürgerlichen Gesellschaft. Und diese sei durch die Abwertung von Frauen geprägt.

Frauen und queere Menschen hätten sich jedoch immer dagegen gewehrt. Ein Blick in die Geschichte zeige: «Viele emanzipatorische Schritte wurden gemacht, wenn sich Frauen und queere Menschen verbündet haben und sich gemeinsam für eine Sache organisiert haben.»

Etwa in den ersten Frauenbewegungen des 18. und 19. Jahrhunderts: Frauen hätten in WGs gelebt, lesbische Beziehungen geführt, Netzwerke aufgebaut und eigene Unternehmen gegründet. Sie unterstützten sich gegenseitig und lösten sich von den Zwängen von Ehe und Familie.

Revolution der Verbundenheit

Die historische Perspektive zeigt: «Wir Menschen sind eben genau nicht diese vermeintlich souveränen, komplett unabhängigen Subjekte, wie sie oft in der männlichen Philosophie dargestellt wurden», so Franziska Schutzbach. Vielmehr sei der Mensch ein verletzliches Wesen, abhängig von der Natur und der Fürsorge, so die Soziologin.

Aus diesem Grund fordert Franziska Schutzbach eine Revolution der Verbundenheit. Sie betont: «Die Freiheit gibt es nur in der Bezogenheit. Nur wenn wir uns kümmern und bekümmert werden, können wir frei sein.» Eine Idee, die bis auf die Französische Revolution zurückgeht. Schutzbach verweist auf den Slogan «Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit» und merkt an: «Brüderlichkeit könnte man jetzt mit Solidarität etwas weniger geschlechtlich machen.»

SRF 1, Sternstunde Philosophie, 19.1.2025, 11:00 Uhr

Meistgelesene Artikel