Es gibt Geld, und es gibt unfassbare Summen an Geld. Summen, die die Vorstellungskraft sprengen: 1.4 Billionen Euro, verteilt auf rund 4000 Haushalte in Deutschland – dreimal so viel wie der gesamte Bundeshaushalt. Und da gibt es eine Deutsche Werft, die 2.6 Millionen Euro für die Miete einer Luxusjacht verlangt, pro Woche – und mühelos Kundschaft findet.
Um solche Summen geht es im Buch «Crazy Rich» von Julia Friedrichs. Sie taucht ein in die Welt der Superreichen, wo Zahlen nicht nur Spielerei, sondern Ausdruck von Wahnsinn sind.
Das Wort «Verrückt» im Titel hat seinen Grund. Der Untertitel «Die geheime Welt der Superreichen» klingt nach Sensationsjournalismus. Doch Friedrichs geht tiefer. Ihre Recherche enthüllt die brisante Realität einer wachsenden Ungleichheit. Die Jachten? Sie sind «eine Metapher für eine Ungleichheit, die jedes Mass verloren hat – eine Dekadenz, die an die Höfe des Sonnenkönigs erinnert.»
Forschungslücke zur Elite
Friedrichs ist Journalistin, Filmemacherin und Autorin. Bevor sie in die Welt der Vermögenden tauchte, beschäftigte sie sich in «Wir Erben» mit der Gerechtigkeitsfrage der Erbschaft, in ihrem letzten Buch «Working Class» erklärte sie, warum das soziale Aufstiegsversprechen nicht mehr gilt. Nun kommt «Crazy Rich».
Der Grund? «Die Welt der Superreichen ist gerade in Ländern wie Deutschland eine sehr diskrete und abgeschottete, über die man viel zu wenig weiss», sagt Friedrichs. Seit 1997 gibt es in Deutschland keine Vermögenssteuer. «Es gibt also zu wenig Daten, zu wenig Forschung. Gleichzeitig ist es aber eine Welt, die grossen Einfluss auf uns alle hat.»
Friedrichs kritisiert die mangelnde Transparenz extremen Vermögens und nähert sich dem schwammigen Begriff «reich». Im Club der Superreichen sei man sicher ab 100 Millionen Euro. Und dieses Vermögen verleihe Einfluss. Das macht aus einer Privatsache eine weniger private Sache. «Der Hebel, an dem die Superreichen sitzen, ist so gross, dass es nicht mehr privat ist», sagt sie.
Aber wie dringt man ein in die abgeschottete Sphäre der Multimillionäre und Milliardäre? «Ich habe lange Anfragen geschickt an reiche Menschen und ihre Family-Offices, also die Leute, die sich um ihr Geld kümmern, viele Biografien gelesen und persönliche Briefe geschrieben. Meist kam keine Antwort, aber manchmal doch», erzählt Friedrichs. «Einmal rief ein Milliardär abends an und sagte: ‹In Ordnung, lassen Sie uns reden.› Es war ein Weg der Geduld.»
Zwischen Philanthropie und Dekadenz
Die Geduld hat sich gelohnt, denn dieses Sachbuch ist eine emotionale Zumutung – im besten Sinne. Es reisst die Leserschaft in eine Welle der Empörung und Faszination, lässt sie aufwallen über die gönnerhaften Philanthropen und erschaudern vor der obszönen Dekadenz der Milliardärskaste.
Friedrichs führt uns von Gigayachten (über 100 Meter lang) zu dynastischen Familien, die wie aus der Erfolgsserie «Succession» entsprungen wirken, hin zu Lösungsansätzen, die wir brauchen, wenn wir einmal realisieren, dass solche Vermögen auch Problem und nicht nur Segen sein können.
In ihrem Buch kommen sowohl reflektierte und bewundernswerte Reiche zu Wort als auch kindische und dekadente. Natürlich gibt es sie nicht, «die Reichen». Doch wie nah Friedrichs dieser verschlossenen Welt kommt, ist bemerkenswert. «Einige reiche Erben hegen Zweifel an der Gerechtigkeit ihres Vermögens», sagt Friedrichs. «Einige treffen sich in Deutschland zu Gesprächsrunden, quasi Selbsthilfegruppen.»
Im Dialog bleiben
Dort werden Themen wie die Erwartungen der Eltern, der Ursprung des Vermögens und persönliche Gefühle zum Geld besprochen. «Das können sie nur mit anderen Reichen besprechen», erklärt Friedrichs, «denn Nichtreiche reagieren oft mit: ‹Ja, deine Sorgen hätte ich gerne!›».
Viele junge Reiche berichten, dass in ihren Familien kaum über Geld gesprochen werde. «Das zieht sich durch die gesamte Gesellschaft», so Friedrichs weiter. «Wir reden selten über Geld – und wenn, dann nicht gut. Erbt jemand plötzlich gigantische Summen, ist der Gesprächsbedarf verständlich.»
Mit «Crazy Rich» will Friedrichs eine differenzierte Debatte über Reichtum anstossen. «Oft finde ich die Diskussion ermüdend: Auf der einen Seite das Reichen-Bashing, auf der anderen die Verteidiger, die jede Kritik als Neiddebatte abtun. Beides halte ich für falsch», erklärt sie. Stattdessen stellt sie die zentrale Frage: Wie viel Ungleichheit kann eine Gesellschaft verkraften?
Um diese Frage kreisen die spannenden Kapitel, in denen sehr Reiche ihren Wohlstand selbstkritisch hinterfragen, aber auch das unvermeidlich dröge Kapitel über Steuern, das Friedrichs geschickt erst spät serviert, sodass es beim Lesen kaum schmerzt. Weh tut es aber, vom exzessiven Konsum einer herrschenden Klasse zu lesen, während wir uns gleichzeitig inmitten eines Klimanotstands befinden.
Zum Schluss bleibt der Gedanke, dass extreme Vermögenskonzentration die Grundprinzipien der Demokratie untergräbt – eine Demokratie, in der jede Stimme zählt und das Leben, von dem bestimmt wird, was man erreicht, nicht von der Geburt.
Friedrichs Buch will einen Impuls geben: Superreiche und der Rest sollen wieder näher zusammenrücken.