Die Lücke zwischen Strasse und Bustür. Bordsteinkanten. Die Aufhänghöhe von Fahrplänen. Für Noé Spirig ist der öffentliche Verkehr voller Hürden. Im Alltag passiert es oft, dass die gestaltete Umwelt nicht an seine Bedürfnisse angepasst ist. Es sind andere Bedürfnisse als die von Menschen, die nicht auf einen Elektrorollstuhl angewiesen sind.
Noé Spirig, 23, studiert an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften Psychologie. «In der Uni wurde für mich eine Tür elektrisiert», sagt Spirig, «Dadurch wurde das Uni-Areal ein kleines bisschen besser zugänglich für mich.»
Die Universität reagierte auf seine Behinderung und passte die Infrastruktur an. Selbstverständlich ist das nicht, denn Gestaltung und Planung unterliegen oftmals bestimmten Standards und Normierungen.
Einerseits weil sie an industrielle Massenproduktion gebunden sind, andererseits weil viele Gestalter und Planerinnen selbst einem Normkörper entsprechen: Lange Zeit war der vor allem männlich, weiss, gesund und sportlich.
Ausstellung zu barrierefreiem Design
Inklusives Design findet bis heute noch nicht genügend Beachtung. Das haben die Kuratorinnen Evelyn Steiner und Sara Zeller zum Anlass genommen, eine Ausstellung zu konzipieren.
«Es ist sehr wichtig, uns zu fragen: Für wen ist unsere Welt, in der wir uns täglich bewegen, gestaltet? Wer ist ausgeschlossen davon?», beschreibt Zeller das Leitmotiv der Ausstellung im Zürcher Museum für Gestaltung. Zur Idee gehöre auch, dass sich Leute Gedanken machen sollen, wie man diese Ausschlüsse verhindern könne.
Unabdingbar: Co-Design
Wichtige Inputgebende für inklusives Design sind dabei Menschen, die aus ihren eigenen Erfahrungen heraus sprechen können. So wie Noé Spirig, den die Kuratorinnen um eine Einschätzung baten. «Ich habe mich sehr gefreut», sagt Spirig, «Das Thema Inklusion kann noch mehr Aufmerksamkeit und Diskussion gebrauchen.»
Noé Spirigs Perspektive hat geholfen, Ausstellungsobjekte auf einer für Rollstuhlfahrende geeigneten Höhe zu installieren und Begleittexte angemessen anzubringen, so dass der Blick nicht ständig nach oben wandern muss.
Für ihn ist das Miteinbeziehen von betroffenen Menschen unumgänglich. «Ohne geht es nicht.» Das betonen auch die Kuratorinnen der Ausstellung immer wieder.
«Wir haben ganz bewusst etwa die Hälfte der Ausstellungsfläche an Gäste ausgelagert, die aus ihrem eigenen Erleben argumentieren können.» Das schliesst sowohl Interviews mit Forschenden, Designerinnen und Beratungsstellen ein als auch Projekte und Initiativen von Menschen, die selbst Ausschluss erfahren haben und mit ihren Arbeiten zum Umdenken auffordern.
Beim Thema Inklusion sind die Ansprüche hoch. Denn ausgegrenzt werden viele unterschiedliche soziale Gruppen. Während der Bordsteineinschnitt für Rollstuhlfahrer eine wichtige Massnahme ist, stellt er ein Risiko für Menschen mit Sehbehinderung dar, die einen Langstock nutzen.
Auch der Bereich Gestaltung kommt nicht ohne Widersprüche aus. Wie kann es etwa gelingen, zerbrechliche Prototypen berührbar zu machen? Eine Erkenntnis der Kuratorinnen ist, dass es kaum ein Design gibt, dass für alle perfekt ist. So sollte die Frage, wer von Inklusion profitiert, jedes Mal neu definiert werden.