Eine Umfrage von Swissinfo zeigte 2019 erschreckend schlechte Zahlen, wenn’s um Gleichberechtigung im Schweizer Kunstbetrieb geht. Nur ein Viertel der Einzelausstellungen in Schweizer Museen waren von 2008 bis 2018 Frauen gewidmet.
Die Vertretung von Künstlerinnen in den Museumssammlungen ist noch schlechter: Nur 13 Prozent zählte kürzlich das Aargauer Kunsthaus, das Kunsthaus Zürich kam auf dieselbe Zahl.
Nachdem grosse Museen wie die Londoner Tate oder die Frankfurter Schirn feministische Anliegen in ihren Sammlungspräsentationen und Ausstellungen berücksichtigt hatten, korrigieren nun auch Schweizer Museen ihren Kurs. Manche bemühen sich schon seit Jahren. Auf alle Fälle waren noch nie so viele Ausstellungen über Künstlerinnen zu sehen wie derzeit.
Das Kunstjahr der Frauen
Das Kunsthaus Zürich widmet Niki de Saint Phalle eine Einzelausstellung, das Kunstmuseum Bern zeigte Heidi Bucher und Liselotte Moser wird in Stans wiederentdeckt.
Jahrelang erhielten nur sehr bekannte Künstlerinnen Einzelausstellungen, dass nun auch unbekanntere Namen solo gezeigt werden, ist eine wichtige Entwicklung.
Aber das ist noch nicht alles. Auch die Künstlerinnen in den Sammlungen werden gezeigt, aktuell etwa im Kunstmuseum Basel mit der Ausstellung «Fun Feminism» und im Aargauer Kunsthaus mit «Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau …».
Dort lässt sich erforschen, welche Künstlerinnen als Minderheitenposition historisch gesammelt wurden, wo Freiräume für Künstlerinnen bestanden, und indirekt: Was beziehungsweise wer fehlt.
Feminismus ist für alle da
In Aarau zeigt Kuratorin Elisabeth Bronfen einen Überblick über die weiblichen Positionen in der Sammlung und analysiert die Konjunkturen der Aufmerksamkeit für weibliche Kunst. Zu entdecken sind Künstlerinnen wie Doris Stauffer oder Alis Guggenheim, die zu ihrer Zeit durchaus bekannt waren, aber dann vergessen gingen.
In Basel geht es um Witz, Humor und Ironie als bewährte Waffen im Kampf von unten gegen oben. «Fun Feminism» entdeckt in der Basler Sammlung, wie befreiend es ist, in ein Lachen auszubrechen, trotz unguter Lage. Und wie tauglich dieses Lachen ist, um herrschende Systeme zu kritisieren.
Zu entdecken sind beispielsweise die wunderbaren Fotocollagen von Marianne Wex oder eine butterweiche Rakete von Sylvie Fleury.
Feministische Polyphonie
Beide Ausstellungen zeigen selbstverständlich diverse Stimmen nebeneinander. Feminismus ist in der Kunst für alle da. Aber es nicht alles himmelblau: Dass trotz Qualität viele Künstlerinnen schlicht und einfach vergessen gingen; und dass der humorvolle Protest gegen Missstände diese nicht beseitigt, das ist die bittere Pille beider Ausstellungen.
Zu sehen ist auch, wie locker und klug Künstlerinnen seit Jahrzehnten mit Themen wie Fluidität, Identität und Geschlecht umgehen.
Alles fliesst. Die Werke von Silvia Bächli, Manon oder vielen anderen Künstlerinnen switchen selbstverständlich hin und her: Befragen eine klassisch weiblich verstandene Identität ebenso wie sie lustvoll Geschlechter und Identitäten ausprobieren.
Wie lange hält die Aufmerksamkeit?
Spaltungen oder Grabenkämpfe kann frau sich in der Kunst schlicht nicht leisten. Denn sie ist mit einem Marktvolumen von geschätzt 5 Prozent nach wie vor viel zu leicht zu ignorieren.
Und wie lange die Aufmerksamkeit für Künstlerinnen anhält, ist auch höchst unklar. Vielleicht graben Kuratorinnen ja ab 2070 wiederum Kunst von Frauen aus, die viel zu schnell vergessen gingen.