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Streitfälle um NS-Raubkunst Kommt die Kulturerbe-Kommission bereits mit Konstruktionsfehler?

Derzeit erarbeitet das Parlament die genaue Form einer neuen «Kommission für historisch belastetes Kulturerbe». Wie sie funktionieren soll, sorgt für Kontroversen.

Vor rund 150 Jahren malte Monet sein «Mohnblumenfeld». Ein Bild, das Betrachtende noch heute zum Träumen bringt. Sein jüdischer Besitzer Hans Erich Emden suchte 1941 einen Käufer und bot es Schweizer Sammlern an, zum Beispiel Oskar Reinhart.

Impressionistisches Gemälde von Claude Monet. Wiese mit roten Blumen und Figuren im Hintergrund.
Legende: Das «Mohnblumenfeld bei Vétheuil», um 1879, von Claude Monet. Heute eines der Schmuckstücke der Bührle-Sammlung im Kunsthaus Zürich. IMAGO / Album

«Für Herrn Reinhart war dieses Bild zu rot. Das war seine Begründung, es nicht zu kaufen», erklärt der Winterthurer Anwalt Olaf Osman. Er ist spezialisiert auf Kunstrecht und Restitution und vertritt die Erben von Emden.

Denn um das Bild wird gestritten: 1941 kaufte es der Waffenfabrikant Emil Bührle. Heute hängt es als Leihgabe der Bührle-Stiftung im Kunsthaus Zürich. Die Erben fordern das Bild seit Jahren zurück. Die Stiftung lehnt den Anspruch seit Jahren ab.

Verhärtete Positionen

«Es gab eine Aufarbeitung – wie es die Bührle-Stiftung nannte – im Haus, die 2012 dazu geführt hat, dass der Anspruch sang- und klanglos abgelehnt worden ist, weil es keine Raubkunst sein könne», meint Osman.

Ein grosses, modernes Gebäude
Legende: 2021 wurde der Erweiterungsbau des Kunsthauses Zürich, der die Bührle-Sammlung beherbergt, eröffnet. KEYSTONE / CHRISTIAN BEUTLER

In der Auseinandersetzung versuchen beide Seiten, die Vermögenssituation von Hans Erich Emden 1941 zu klären. Wie reich war er, wie arm? War der bezahlte Bilderpreis angemessen oder zu tief? Musste er verkaufen, weil er vom NS-Regime verfolgt wurde? Die Situation, so sieht es zumindest der Anwalt der Erben, ist verfahren. Der Versuch der Klärung gescheitert.

Ein Paradebeispiel

Es scheint, als sei der Fall Emden ein Paradefall für die neue unabhängige Kommission für historisch belastetes Kulturerbe. Der Bundesrat hat deren Gründung letzten Herbst beschlossen.

Derzeit knobelt das Parlament die konkrete Umsetzung aus. Der Ständerat hat die Vorlage in einem entscheidenden Punkt abgeändert: Neu soll die Kommission nur angerufen werden können, wenn beide Streitparteien zustimmen.

Für den Fall Emden ändere das alles, sagt der Anwalt der Erben. Dadurch wäre die Wahrscheinlichkeit, dass der Fall nie vor der Kommission lande, hoch. Die Bührle-Stiftung würde dem nicht zustimmen.

Probleme sind längst bekannt

Das Problem ist aus Deutschland längst bekannt: Seit 20 Jahren ist dort eine ähnliche Kommission bereits an der Arbeit. Auch sie kann nur angerufen werden, wenn beide Seiten zustimmen. «Ein kardinaler Konstruktionsfehler im System», sagt der Vorsitzende dieser Kommission, der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans Jürgen Papier.

Darum habe die deutsche Kommission bisher nur 23 Fälle behandel können. Nur in 23 Fällen hätte eine Zustimmung von beiden Seiten vorgelegen. Die deutsche Kommission empfahl darum dringend eine Reform. Das Ziel: In Zukunft müsse sie einseitig angerufen werden können.

Deutsche «Limbach-Kommission» soll aufgelöst werden

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Die deutsche Kommission für die Rückgabe von NS-Raubgut wurde 2003 eingerichtet. Sie soll Konflikte um die Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kunstwerke, insbesondere aus jüdischem Besitz, klären, die sich heute in öffentlichen Museen befinden.

Nun wurde bekannt, dass Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur und Medien, ein Ende dieser Kommission plant. Sie soll aufgelöst und durch Schiedsgerichte ersetzt werden.

Das gehe aus internen Unterlagen hervor, die dem Deutschlandfunk vorliegen. Bei einem Treffen im Kanzleramt hat Roth dem ehrenamtlich tätigen Gremium demnach mitgeteilt, dass bis Anfang Oktober 2024 ein entsprechendes Konzept von Bund, Ländern und Kommunen beschlossen werden soll.

Eine folgenreiche Entscheidung

Während Deutschland den Weg über Schiedsgerichte sucht, muss sich die Schweiz entscheiden. Entweder sie stellt sich derselben Problematik wie Deutschland: Wird dann jene Streitpartei, die die Kommission gar nicht anrufen wollte, die Empfehlung überhaupt akzeptieren? Oder sie geht den einfachen Weg: Mit einer Kommission, die nur dann aktiv wird, wenn beide Streitparteien zustimmen. In dem Fall könnte der jetzige Besitzer bestimmen, ob eine unabhängige Empfehlung überhaupt zustande kommt – oder eben nicht.

Radio SRF 1, Echo der Zeit, 24.6.2024, 18:00 Uhr. ; 

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