So viele Ks auf einem Haufen: «Kunst, Kontext, Krieg, Konflikt» ist der Untertitel der neuen Bührle-Ausstellung im Kunsthaus Zürich. «Eine Zukunft für die Vergangenheit», steht pompös darüber.
Es ist eine andere Art von Pomp, als die, welche der umstrittene Sammler und Waffenproduzent Emil Bührle pflegte. Auch in der überarbeiteten Ausstellung prangt an fast allen Bilderrahmen sein Name. Er wird in dieser neuen Schau aber viel kritischer dargestellt als in der ersten, als beschönigend kritisierten Ausstellung.
Auf Bildschirmen formulieren kritische und weniger kritische Zeitgenossen in der neuen Ausstellung ihre Meinung zu den Kontroversen um die Bührle-Sammlung.
Breites Meinungsspektrum
Das Kunsthaus findet in dieser Vielstimmigkeit aber nicht zu einer eigenen Haltung. Man kuratiert die Kontroverse – mehr nicht. Diese Ausstellung hat ein Grundsatzproblem. Sie kann keine neuen Fakten präsentieren.
Einer der grossen Streitpunkte ist die Frage, ob in der Bührle-Sammlung Bilder sind, die den Erben jüdischer Sammlerinnen und Sammler zurückgegeben werden müssten. Das untersuchen derzeit der Historiker Raphael Gross und sein Team. Resultate sind für Sommer 2024 angekündigt. Vorher gibt es nichts Neues zu sagen. Daher verlegt sich das Kunsthaus auf anderes.
Besucherinnen und Besucher können Online-Umfragen ausfüllen oder die Museumleute zum Gespräch treffen. «Das Kunsthaus hört zu», heisst das Angebot. Partizipation, Polyphonie und Diversität werden grossgeschrieben.
Es stellt sich die Frage, ob wir mit dieser Ausstellung auch genug Wissen vermittelt bekommen, um am Gespräch teilzunehmen. An vielen Stellen bemüht sich das Kunsthaus um eine kritische Kontextualisierung, an anderen harzt es nach wie vor.
Mangelnde Kontextualisierung
Die Kunstreise etwa, die Emil Bührle 1941 mit Freunden des Kunsthauses ins besetzte Paris unternahm, um «günstig Impressionisten zu erwerben», wird nur spärlich kontextualisiert. Warum das in Paris nach dem Einmarsch der Nazis 1940 möglich ist, wird nur angedeutet. Die systematische Plünderung jüdischer Sammlerinnen und Sammler durch NS-Spezialisten wird nicht erwähnt.
War da nicht noch was?
Der Knall vor der Ausstellungseröffnung war der Rücktritt des gesamten wissenschaftlichen Beirats wegen Differenzen über die inhaltliche Ausrichtung. Die Schicksale der jüdischen Vorbesitzer und Vorbesitzerinnen von Bührles Bildern und die Opferperspektive würden zu wenig berücksichtigt, kritisierte der Beirat.
Direktorin Ann Demeester räumt im Gespräch ein: Mehr gehe immer. Die Opferperspektive sei in der Ausstellung vorhanden. Ein ganzer Raum ist diesem Aspekt gewidmet. Beiratssprecherin Angeli Sachs entgegnet: «Die jüdischen Sammlerinnen und Sammler werden wohl gewürdigt, aber abgeschlossen für sich. Wir hätten uns gewünscht, sie träten wirklich hervor.»
In einer Ausstellung über Bührles Kunstsammlung geht es immer auch darum, zu erzählen, wie er von der Entrechtung, Beraubung, Verfolgung jüdischer Sammlerinnen und Sammler profitiert hat – als Waffenproduzent, aber auch als Kunstsammler.
Um das Ausmass des Profitierens verstehen zu können, muss das Ausmass der Verfolgung vermittelt werden. Beides hängt zusammen. Zu diesem Gleichgewicht aber findet die Ausstellung nicht.