Das Kunsthaus Zürich will vorwärtsmachen bei der Provenienzforschung. Konkret geht es den Verantwortlichen um eine professionelle Aufklärung, woher gewisse Bilder in seinem Bestand stammen und wie diese erworben wurden.
Neue Strategie soll Klarheit schaffen
Am Dienstag hat das Kunsthaus Zürich seine neue Strategie verkündet: Im Zentrum stehen soll künftig eine Provenienzforschung, die entlang des Begriffs «NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut» arbeitet. Für die generelle Verwendung dieser Begrifflichkeit anstelle von Fluchtgut setzte sich der Schweizerische Israelitische Gemeindebund bereits im November 2021 ein.
Mit der neuen Strategie sind nun auch Bilder und Kunstwerke betroffen, die in der Schweiz verkauft wurden – von jüdischen Besitzerinnen oder Besitzern, die von Nationalsozialisten verfolgt wurden. Insofern schliesst dies also auch Länder mit ein, die während der NS-Zeit als sichere Drittländer galten – wie eben etwa die Schweiz. Ein Kriterium ist, dass die zu untersuchenden Werke zwischen 1933 und 1945 den Besitzer gewechselt haben.
Das oberste Ziel soll sein, die Herkunft der Werke professionell zu prüfen und «faire und gerechte Lösungen» nach den Washingtoner Prinzipien zu ermöglichen, falls es Hinweise auf NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut gibt, teilte das Kunsthaus Zürich mit.
Auch Rückgaben an Nachfahren möglich
«Faire und gerechte Lösungen» können dabei sowohl eine öffentliche Würdigung der Umstände des Entzugs sein als auch die Rückgabe des Kunstwerks an Nachfahren der NS-verfolgten Person einschliessen.
Hierzu richtet das Kunsthaus bis im Herbst eine externe, internationale Expertenkommission ein, die beratend tätig ist. Zentral ist auch der Gedanke, dass nicht nur geraubte und entwendete Kunst mit eingeschlossen wird, sondern auch jene, die notgedrungen zu tieferen Preisen als den marktüblichen verkauft werden musste.
Ausserdem verlangt das Kunsthaus Zürich neu keine festen Beweise mehr: Es reicht, wenn es bei einem Bild genug Hinweise gibt, dass es eine heikle Vergangenheit hat.
Reaktion auf Kritik an Bührle-Sammlung
Mit der neuen Strategie zur Provenienzforschung reagiert das Kunsthaus auf die Kritik an gewissen Werken der Sammlung Bührle, die seit Herbst 2021 im Neubau des Kunsthauses zu sehen ist.
Umstritten ist sie, da der Waffenhändler Emil Bührle viele seiner Werke während der NS-Zeit erwarb. Jüdische Sammler waren teils gezwungen, in Notlagen ihre Bilder zu verkaufen.
Nun aber soll auch die Herkunft der eigenen Bestände genauer angeschaut werden. In einem ersten Schritt will das Kunsthaus rund 200 Bilder auf ihre Herkunftsgeschichte überprüfen.
Mehr Angestellte nötig
Hierbei ist nicht ausgeschlossen, dass Bilder an Nachkommen der einstmaligen Besitzerinnen und Besitzer zurückgegeben werden. Die Entscheidung, was mit heiklen Bildern geschehen soll, bleibt am Ende aber Sache der Kunstgesellschaft Zürich, der Eigentümerin der hauseigenen Sammlung.
Die neue Strategie, inklusive allfälliger Rückgaben, könnte das Kunsthaus einiges kosten, so die Verantwortlichen. Zudem bräuchten sie zusätzliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Konkret soll das Forschungsprojekt von heute zwei auf künftig fünf Angestellte ausgeweitet werden. Aus diesem Grund hat der Zürcher Regierungsrat dem Kantonsrat einen Antrag gestellt, damit das Kunsthaus eine Million Franken erhält.