Cézannes «Knabe mit der roten Weste» ist ein Prunkstück der Bührle-Sammlung, genau wie Camille Corots «Lesendes Mädchen». Die QR-Codes neben diesen und anderen Bildern im Kunsthaus Zürich führten bis vor kurzem nicht mehr auf die Provenienzforschung der Bührle-Stiftung, sondern auf eine externe Webseite.
Dort werden die Forderungen der schärfsten Kritikerinnen und Kritiker des Kunsthauses und der Bührle-Stiftung eingelöst und der Kontext von Bührles Bild-Erwerbungen vermittelt: einfach und ohne Relativierungen oder Beschönigungen.
Nazi-Sympathisant und Kriegsgewinnler
Über den Sammler und Waffenfabrikant Emil Bührle ist zu lesen, dass er doppelt vom NS-Regime profitierte. Er machte mit Waffenverkäufen ein Vermögen und profitierte zugleich von der systematischen Beraubung jüdischer Sammlerinnen und Sammler.
Auf der externen Seite steht: «Emil Georg Bührle war ein Nazi-Sympathisant, ein autoritärer Militarist, im günstigsten Fall ein Kriegsgewinnler – wahrscheinlich aber ein Kriegsverbrecher.»
Das ist zugespitzt, aber nichts Neues und der Forschung längst bekannt. Im Kunsthaus Zürich sucht man die Information in dieser Deutlichkeit bisher vergeblich.
Hinter dem Angriff auf die QR-Codes steckt eine Gruppe namens «KKKK», die sich wahlweise als «Komitee Kapital Kollaboration Kriegsgewinn» oder «Komitee Kontextualisierung Kommunikative Katastrophe» ausgibt.
Künstlerischer Aktivismus
Das Komitee spricht Klartext und ergänzt die Bührle-Ausstellung um fehlende Perspektiven. Von «lückenloser Provenienz» spricht die Bührle-Stiftung etwa bei einem Degas, der dem jüdischen Sammler Alphonse Kann im Zweiten Weltkrieg geraubt wurde. Bührle gab den Degas nach dem Krieg als Raubkunst zurück und erwarb ihn dann ein zweites Mal.
KKKK erzählt die Geschichte ausführlicher und fragt: Wo bleibt die Perspektive des beraubten Sammlers? «Weiss man tatsächlich alles, was man wissen muss, um dieses Bild auszustellen und anzusehen?», fragt Kim Kunz, Sprecher von KKKK im Gespräch mit SRF.
Kim Kunz ist eine Kunstfigur, hinter KKKK steckt ein Kollektiv von Künstlern und Journalistinnen. Auch Giulia Bernardi und Daniel Riniker gehören dazu. Sie haben in einem Artikel für die Wochenzeitung WOZ bereits zum Thema heikle Provenienzen gearbeitet.
Ihre Intervention im Kunsthaus nimmt vorweg, was das Kunsthaus seit längerem verspricht: mehr Kontext, mehr Perspektiven, mehr Auseinandersetzung. Kunsthaus-Sprecher Björn Quellenberg: «Das zeigt uns, dass wir mit der Sammlung Bührle immer noch im aktuellen Diskurs sind, und: auf dem richtigen Weg damit, die Sammlung ab Herbst neu zu präsentieren. Forschung braucht einfach Zeit.»
Gelassenheit also beim Kunsthaus, obwohl die Aktion auf ein Versäumnis des Museums hinweist.
Mit der Geduld am Ende
Fast zwei Jahre lang hat man unkommentiert die Sicht der Bührle-Stiftung vermittelt. Kunsthaus-Direktorin Ann Demeester hat zwar von Anfang an Geduld für die Überarbeitung erbeten, aber auch schnelle und unkomplizierte Ergänzungen wie Handouts mit Biografien der Vorbesitzer angekündigt. Diese blieben allerdings aus.
Im November soll die neue Bührle-Ausstellung eröffnet werden, ihr Titel lässt aufhorchen: wieder «KKKK». Beim Kunsthaus füllt man das aber mit: «Kunst, Kontext, Krieg und Konflikt».