Wenn die Gallier plötzlich lieber Gemüse essen statt Wildschweine, miteinander reden, statt sich gleich zu verhauen und sogar freiwillig ihrem Barden Troubadix lauschen – dann hat das gallische Dorf ein ernstes Problem.
Asterix und Miraculix haben die Ursache rasch ausgemacht: Visusversus, ein urbaner Phrasendrescher in Cäsars Diensten.
«Die Zeiten ändern sich», schwafelt Visusversus ganz am Anfang: «Dank meiner Methode ändern sie sich noch schneller.»
Positives Denken
Visusversus hat zwei Aufträge: Er soll die Legionäre dank positivem Denken zu selbstbewussteren Kämpfern machen. Und er soll den Wehrwillen der Gallier schwächen, indem er sie zu Achtsamkeit erzieht.
Sie funkle und schillere, schmeichelt Visusversus etwa Gutemine, der Frau des Chefs Majestix. Und Majestix selber rühmt er als «Recken mit der majestätischen Waldtierstimme, die alle Herzen schwingen lässt.» Es gelingt ihm sogar, die ewige Fehde zwischen dem Schmied Automatix und dem Fischhändler Verleihnix zu entschärfen.
Ganz Gallien ist von der neuen Achtsamkeit infiziert
Die Gallier fallen auf die Schmeicheleien und die Kalenderweisheiten des glatten Römers mit den Allüren eines aufdringlichen Personalcoaches herein. Dass seine wallende graumelierte Haarmähne an die des französischen Salon-Philosophen Bernard Henri-Lévy erinnert, ist ein hübsches Detail.
Dynamik nimmt «Die weisse Iris» auf, als Gutemine mit Visusversus nach Lutetia durchbrennt, in die hauptstädtische Kulturszene eintaucht und feststellt, dass bereits ganz Gallien von der neuen Achtsamkeit infiziert ist. Auf der Suche nach Gutemine landen auch Asterix, Obelix und Majestix in Lutetia und schlagen sich mit neumodischen urbanen Ärgernissen wie Leih-Rollern herum.
Spöttisch hohle Sinnsprüche entlarven
Anachronismen sind eine Essenz von «Asterix». Das kleine Widerstandsnest im grossen Imperium dient oft als Spiegel unserer Zeit. Deshalb überrascht es nicht, dass der neue Asterix-Autor Fabcaro sich spöttisch des positiven Denkens und der Achtsamkeit annimmt.
Gewisse von Visusversus Weisheiten persiflieren übertriebene Achtsamkeit auf höchst amüsante Weise: «Die Blüte einer einzigen Iris erleuchtet den ganzen Wald.» Oder: «Ein Problem hört auf, eines zu sein, sobald es keine Lösung dafür gibt.» Das klingt tiefsinnig, ist aber einfach nur Flachsinn.
Angst vor dem eigenen Mut
Der Witz dieser Sinnsprüche erschöpft sich aber bald, zumal es Fabcaro verpasst, seinem Zerrbild unserer Zeit mit verwandten Anliegen wie etwa Diversität und Gerechtigkeit mehr Tiefe und Schärfe zu verleihen. Es ist, als hätte der neue «Asterix»-Autor Angst vor dem eigenen Mut bekommen, das gallische Widerstandsnest mit neuen Gedanken zu konfrontieren.
Deshalb strafen Asterix, Obelix, Majestix und Miraculix – die einzigen, die sich vom süssen Achtsamkeitssprech nicht einlullen lassen – Visusversus Lügen.
Prügel und Festmahl
Im gallischen Widerstandsnest ändern sich die Zeiten eben nicht. Wie in den 39 Alben zuvor wird das Fremde und Neue erfolgreich aus dem Dorf vertrieben: Eine Keilerei und das obligate Festmahl mit vielen gebratenen Wildschweinen stellen den Status Quo wieder her. Und der kurz zuvor noch gefeierte Troubadix feiert wie gewohnt gefesselt und geknebelt mit.
Alles darf so bleiben, wie es schon immer war.