Zwischen Trolls, Bots und Influencern: Eva Menasse rechnet in ihrem neuen Buch mit der «Wutverstärkungs-Maschine» Internet ab. Sie liefert eine entlarvende Analyse der digitalen Communitys, die immer aggressiver werden. Im Interview spricht sie darüber, was man ihnen entgegenhalten kann.
SRF: Was haben Sie gegen das Internet?
Eva Menasse: Nichts. Es bietet grossartige Möglichkeiten. Aber zugleich hat die digitale Massenkommunikation auch enorme Verheerungen unter den Menschen angerichtet. Social Media hat eine Parallelwelt kreiert, in der wir alle böser, gnadenloser und kompromissunfähiger geworden sind. Das wiederum färbt auf die analoge Welt ab.
Social-Media-Plattformen sind Wut-Verstärkungs-Maschinen. Sie vergiften den öffentlichen Raum.
Facebook oder X (ehemals Twitter) wurden angeblich erfunden, um Freundschaften zu pflegen. Was ist davon übrig?
Das war von Anfang an eine Lüge. Sie sind gegründet worden, um den Reichtum ihrer Besitzer zu mehren. Und wie gelingt das am besten? Indem man die Menschen süchtig macht. Die alltäglichsten Apps sind designt wie Drogen. Sie regen die Dopaminausschüttung an und zielen direkt auf das Belohnungszentrum im Gehirn. Am längsten hängen die Userinnen und User im Netz, wenn man ihre Aggressionen triggert. Social-Media-Plattformen sind Wut-Verstärkungs-Maschinen. Sie vergiften den öffentlichen Raum.
In Ihrem Buch vergleichen das Gebaren auf diesen Portalen mit Gladiatorenspielen.
Ja. Was sich auf Social Media abspielt, hat wenig mit bürgerschaftlichen Diskussionen im römischen Forum oder auf der Agora von Athen gemeinsam. Viel eher sehe ich Parallelen zu den Tierhatzen oder Gladiatorenspielen im Alten Rom. Diese Spektakel kanalisierten die Unzufriedenheit der Massen, sie lenkten die Wut von den Herrschenden weg und richteten sie auf zufällige, entbehrliche Opfer. Ein ähnlicher Mechanismus ist heute im Netz am Werk.
Weder der Brexit noch die Wahl Trumps wären ohne die Desinformationsmethoden der digitalen Kommunikation möglich gewesen, sagen Sie.
Da muss man der Wahrheit die Ehre geben und darauf hinweisen, dass schon Barack Obama mit gelenkten Wahlkampagnen auf Facebook gearbeitet hat. Bestimmte Inhalte werden dabei nur bestimmten Menschen gezeigt – ein zutiefst undemokratisches Verfahren. Nie sehen alle dasselbe. Wie früher, als wir alle ein und dasselbe Plakat auf der Strasse angeschaut und vielleicht darüber diskutiert haben. Die Poster waren auch Propaganda, aber was Steve Bannon und die Trumpisten in ihre digitalen Hexenküchen ausgeheckt haben, stellt die Propagandalügen von früher in den Schatten.
Im Grunde hat man damit den mittelalterlichen Pranger wieder eingeführt
Es sind aber nicht nur die Rechten, die Sie in Ihrem Buch angreifen. Auch «die Woken» bekommen ihr Fett ab.
Die Wokeness-Bewegung in ihren extremen Ausformungen ist eine absolute ideologische Verirrung, wie die K-Gruppen in den 1970er-Jahren. Für menschenverachtende Ideologismen sind nicht nur die Rechtsradikalen anfällig, die Linkswoken können das genauso. Wenn ein Dutzend politisch korrekte Eiferer jemanden auf X als transphob oder antisemitisch brandmarken, kann der Betreffende gleich einpacken, egal, ob an den Vorwürfen irgendetwas dran ist oder nicht. Im Grunde hat man damit den mittelalterlichen Pranger wieder eingeführt.
Nun sind die unsozialen Medien in der Welt. Was tun?
Wir werden um Beschränkungen in der einen oder anderen Form nicht herumkommen. Das muss international koordiniert geschehen. Ich sehe mich nicht in der Rolle der Problemlöserin, sondern der Analytikerin. Wobei: Die Lösung eines Problems muss mit der richtigen Analyse beginnen.
Das Gespräch führte Günter Kaindlstorfer.