Papst Franziskus outet sich als eingefleischte Leseratte: In einem aktuellen Rundbrief ruft er zum Lesen von Literatur auf. Gerade bei der Ausbildung zukünftiger Priester sei das von unschätzbarem Wert. Es bilde und forme die Persönlichkeit und gewähre Einblicke in andere Perspektiven auf das Leben.
Wahrlich wahre Worte aus der Feder des Pontifex! Gerade diesen «anderen Blickwinkel» haben ganz viele ausserhalb der römisch-katholischen Geistlichkeit. Allen voran die Frauen, die in der Kirche noch immer im zweiten Glied stehen müssen und nicht ins Priesteramt dürfen.
Tipp 1: Isabel Allende
Um sich vertraut zu machen mit der Frage, was es für Frauen ganz generell heisst, diskriminiert zu werden, empfehle ich angehenden Priestern die Lektüre des Buchs «Was wir Frauen wollen». Geschrieben hat es die chilenisch-US-amerikanische Autorin Isabel Allende.
Das Werk erzählt eindringlich vom langen Kampf der Frauen um Gleichberechtigung. Und davon, dass er noch lange nicht vorbei ist. Gerade in der Kirche.
Tipp 2: Édouard Louis
Wenn wir schon beim Thema Diskriminierung sind: Ein Titel zum Thema Homosexualität darf da natürlich nicht fehlen. Schliesslich darf sie laut katholischer Sexualmoral bekanntlich noch immer nicht ausgelebt werden.
Mein zweiter Lesetipp erzählt von unterschiedlichen Formen der Homophobie: «Das Ende von Eddy» von Édouard Louis.
Tipp 3: Lutz van Dijk
Seine Heiligkeit Franziskus hebt in seinem Brief an einer Stelle hervor, ein gutes Buch könne uns von «Entscheidungen, die uns nicht guttun» abhalten. Literatur kann also – ganz konkret – zum Beispiel helfen, sich gegen das alte Kondomverbot zu entscheiden. Mein Lesetipp hierzu ist der Jugendroman «Township Blues» des Deutsch-Niederländers Lutz van Dijk.
Er zeichnet ein realistisches Bild vom Leben HIV-Positiver in Südafrika, deren Leid stellvertretend für die Millionen von afrikanischen Aidskranken steht. Aufgrund ungeschützten Geschlechtsverkehrs.
Tipp 4: Colson Whitehead
Laut Papst Franziskus ist die Literatur ein Mittel, um «auf die Stimme» anderer Menschen zu hören. Gerade auch derjenigen, welche keine eigene Stimme haben: die Kinder. Sie waren in der römisch-katholischen Kirche, wie leider auch anderswo, immer wieder im grossen Stil sexualisierter Gewalt ausgesetzt.
Meine Empfehlung an angehende Priester deshalb: «Die Nickel Boys» des US-Amerikaners Colson Whitehead. Das Buch erzählt von einem Teenager, der in einem Erziehungsheim missbraucht und traumatisiert wird. Ein Stück Literatur, das Mitgefühl weckt für die Betroffenen – und vielleicht dazu beitragen kann, derartiges in Zukunft zu vermeiden.
Tipp 5: Robert Harris
Sind meine Vorschläge zu schwere Kost? Falls dem so wäre, hätte ich noch einen fünften Tipp, ein etwas leichter aufbereitetes Stück: den Thriller «Konklave» des Briten Robert Harris.
Er erzählt von einer fiktiven Papstwahl, und dabei vor allem von den sinistren Machenschaften und Intrigen, die sie umgeben. Ok, vielleicht auch nicht unbedingt erbaulich, aber immerhin absolut packend. Und gerade für angehende Priester, die weitere Karrierepläne mit sich tragen, durchaus erhellend.