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Spirous neues Abenteur
Aus Kultur-Aktualität vom 14.07.2022. Bild: IMAGO / Jochen Tack
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Kultur-Jahresrückblick 2022 Die Comics 2022: Blickfänge und ein Flop

Unser Comic-Experte präsentiert seine besten Empfehlungen des Jahres – und den grössten Reinfall.

Die Höhepunkte des Jahres

«Spirou oder: die Hoffnung» von Emile Bravo: Damit hat der französische Comicautor Emile Bravo ein Meisterwerk vorgelegt. Er schildert die Jugend Spirous im deutsch besetzten Brüssel des Zweiten Weltkriegs. Neben Figuren wie Tintin und Asterix gilt Spirou als Ikone des belgischen Comics.

Dabei verknüpft Bravo zwei Geschichten: Zum einen entfaltet er ein vielschichtiges Panorama Belgiens unter deutscher Besatzung. Zum anderen erzählt er Spirous Coming-of-Age-Story.

Comicseite: Kriegsflugzeuge fliegen über ein Dorf, ein Junge wacht auf, die Bevölkerung fürchtet sich
Legende: Der kleine Hotelpage Spirou reift während des Zweiten Weltkriegs zum selbstbewussten Jugendlichen. © Dupuis, 2018-2022 – Bravo © Carlsen Verlag GmbH · Hamburg 2022

Konfrontiert mit Krieg, Hunger und dem Schicksal einer deportierten jüdischen Freundin reift das naive Waisenkind zu einem selbstbewussten, engagierten Jugendlichen. Nach und nach lernt dieser, die grösseren Zusammenhänge zu durchschauen.

Bravo macht nicht den Fehler, Spirou als Widerstandshelden zu stilisieren. Er bleibt ein Antiheld, der nur im Kleinen funktioniert und sich mit seiner Herzensgüte bemüht, das Beste aus dem Alltag zu machen.

Im Kern geht der Comic der Frage nach, wie sich der Mensch in einer düsteren Zeit Menschlichkeit und Würde bewahrt. Das erzählt Emile Bravo auf meisterhafte Weise.

«Work-Life-Balance» von Aisha Franz: Willkommen in der unschönen neuen Arbeitswelt von Tech-Start-Ups, in denen kreativ geschuftet, aber schlecht verdient wird. Die deutsche Comicautorin Aisha Franz karikiert vier Vertreter der Generation Prekariat, die zwischen Bullshit-Jobs und Selbstoptimierung um die titelgebende Work-Life-Balance ringen.

Comic einer Frau, die Videos für Social Media dreht.
Legende: Nach der Arbeit ist vor der Arbeit, denn dann muss die Community auf den sozialen Netzwerken bespasst werden. Aisha Franz/Reprodukt

Die Keramikerin Anita ist eine verhinderte Künstlerin und die Start-up-Angestellte Sandra zelebriert ihre Banalität in «MeTube»-Videos. Das IT-Genie Rex liefert derweil Pizzen aus. In der Praxis einer Therapeutin von zweifelhafter Sensibilität kreuzen sich ihre Geschichten, bis garantiert alles aus der Balance geworfen ist.

Mit satirischer Verve seziert Aisha Franz die moderne Arbeitswelt. Ihre Erzählweise ist rasant, die Zeichnungen sind stilisiert, dynamisch, voll schräger Details. «Work-Life-Balance» ist ein mitreissendes Vergnügen, in dem Zeitkritik, Satire und die Lust am Erzählen ein perfektes Gleichgewicht bilden.

Die Überraschung des Jahres

«In Ordnung» von Anja Wicki: Die junge Schweizer Comicautorin Anja Wicki legt ein bestechendes Debüt vor. In zurückhaltenden Bildern schildert sie den Weg einer jungen Frau, Eva, durch eine nicht näher genannte psychische Krankheit.

Wicki erzählt die Geschichte fragmentarisch und in locker verknüpften Episoden. Zeichnerisch übersetzt sie Evas Innenleben auf stimmige Weise: Ihre Zeichnungen sind stilisiert, dezent eingesetzte monochrome Pastellfarben deuten innere und äussere Zustände und Prozesse an. Dank seiner Subtilität hallt der Comic lange nach.

Der Flop des Jahres

«Welt ohne Ende» von Jean-Marc Jancovici und Christophe Blain: Die Besetzung schien ideal für einen fundierten und doch unterhaltsamen Sachcomic über Energie und Klima: Jean-Marc Jancovici ist führender französischer Experte für Energie- und Klimafragen, Christophe Blain einer der besten Comicerzähler seiner Generation.

Comic: Erklärung CO2-Absorption
Legende: Der Comic verliert sich in detailreichen Ausführungen und häuft dabei unzählige Fakten an. Reprodukt

Umso herber die Enttäuschung: Jancovici entfesselt einen apokalyptischen Tsunami aus Zahlen, Daten, Tabellen und Exkursen, den Blain zeichnerisch nicht zu bändigen vermag.

So lässt «Welt ohne Ende» die Leserinnen und Leser überfordert und entmutigt zurück. Nachhaltig wäre anders.

Die Besten des Jahres – unser Kulturrückblick 2022

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Radio SRF 3, 16.12.2022, 13:10 Uhr.

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