Pedro Lenz kehrt mit «Zärtlechi Zunge» zu seinen Spoken-Word-Wurzeln zurück – gespickt mit aktuellen Inhalten aus seinem Leben. Seine Buchpublikationen funktionieren, das wissen so manche seit seinem Mundartroman «Dr Goalie bin ig». Nun verrät er sein Erfolgsrezept.
SRF: Da ist er wieder, der Plauderi-Stil vom «Goalie». An dem erkennt man einen Pedro-Lenz-Text sofort. Wie ist der zu Ihnen gekommen?
Pedro Lenz: Ein Teil ist sicher angeboren. In unserer Familie wurde immer viel geredet. Aber es ist für mich, wie wenn man Gold wäscht und schüttelt und schüttelt und schüttelt: Am Schluss bleiben, wenn man Glück hat, ein paar Goldkörnchen in der Pfanne.
Und aus diesen Körnchen entstehen Ihre Geschichten?
Ja. Häufig basieren Kurzgeschichten auf etwas Erlebtem oder Gehörtem. Dann erzähle ich das zuerst meiner Frau oder einem Freund. Bei jedem Erzählen merke ich, was nichts bringt und was ich ausschmücken kann. Leute sagen mir: «Diese Geschichte hast du schon einmal erzählt, da war sie aber noch ein bisschen anders.» Da weiss ich: Aha, ich bin am Formen. Und irgendwann ist es Literatur.
Die Geschichten entwickeln sich also mündlich?
Das Extremste, das mir dazu passiert ist: Ich erzählte eine Anekdote vom Militär – gute Länge, gute Pointe. Da sagt mir mein Gegenüber: «Das habe ich dir erzählt!» Ich entschuldigte mich – ich wollte ihm die Geschichte nicht wegnehmen.
Das Beobachten ergibt sich meist im Gespräch. Da tue ich beides: reden und aufmerksam hinhören.
Ehrlich, ich hatte es vergessen. Ich hatte die Anekdote so oft erzählt, am Anfang «ein Freund von mir hat im Militär…» und irgendwann «habe ich im Militär…». Dann ist es meine Anekdote geworden. Ich habe sie nicht bewusst an mich gerissen.
Aber nicht jeder, der viel redet, kann dies auch niederschreiben. Wann reden Sie, wann beobachten Sie, wann schreiben Sie?
Das Beobachten ergibt sich meist im Gespräch. Da tue ich beides: reden und aufmerksam hinhören. Mir fallen Dinge auf: das Repetitive oder andere sprachliche Eigenheiten, gerade auch von Jugendlichen und Kindern. Ich werte nicht. Ich will Geschichten aufsaugen wie ein Schwamm, und wenn ich dann am Schreibtisch sitze, schaue ich, was davon wieder auftaucht.
Wiederholungen haben Sie auch schon als bevorzugtes rhetorisches Mittel bezeichnet. Woher kommt das?
Ich glaube, bei mir kommt das Repetitive vom Katholischen. Unsere Familie hatte eine gewisse Volksfrömmigkeit und ging jeden Sonntag zur Kirche. Diese immergleichen Formen von Litaneien, Abläufen oder Refrains habe ich schon als Kind gemocht.
Ja, ich liebe Rhythmus und Rhythmuswechsel.
Ich merke jetzt auch bei meinen Kindern, wenn sie sprechen lernen: Das Repetitive ist eine wichtige Lerntechnik.
Wiederholungen, Refrains sowie Kinder, die Wiederholungen suchen: Die ergänzen sich für Sie?
Ja, mein Leben ist sehr repetitiv geworden – auch im schönen Sinn. Die Kinder lieben das Repetitive in Kinderliedern. Sie möchten immer die gleichen Geschichten hören. Da habe ich gemerkt: Das Repetitive ist sehr menschlich und wertvoll. Das habe ich in vielen Texten aufgenommen.
Auch die Freude am Rhythmus fällt auf beim Vortragen Ihrer Texte. Da geht manchmal richtig die Post ab.
Ja, ich liebe Rhythmus und Rhythmuswechsel. Ein Text im Buch handelt von einer Ausdauersportlerin. Sie hat mich in einem Radiointerview inspiriert, indem sie immer wieder betont hat, wie wichtig es für sie sei, den Schmerz anzunehmen. Dieses Bild vom Schmerz, durch den man hindurchgehen muss wie durch einen Tunnel, hat mich beeindruckt. Der Text «Step Step Step» musste also den Rhythmus dieser Läuferin haben. Da versuche ich, Form und Inhalt zusammenzubringen.
Das Gespräch führte Christian Schmutz.