Kim de l’Horizons Roman «Blutbuch» gewinnt am 17. Oktober den deutschen Buchpreis. Gleich darauf hagelt es 1-Stern-Bewertungen im Onlineshop Amazon. SRF Data hat die Bewertungen der letzten zehn Bücher, die mit dem deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurden, analysiert. Zeitraum der Analyse: von der Bekanntgabe der Longlist bis zehn Tage nach der Preisvergabe.
Dabei zeigt sich: «Blutbuch» wird wie kein anderes angefeindet und systematisch mit negativen Rezensionen versehen. Das ist in diesem Fall besonders stossend, da damit die Gewalthandlungen an non-binären Menschen, welche in «Blutbuch» thematisiert werden, fortgesetzt werden.
Die Welle der negativen Rezensionen, auch als «review bombing» bekannt, lässt sich an drei Punkten messen:
1. Ungleiche Sterneverteilung
Kim de l’Horizons «Blutbuch» erhielt auf amazon.de im Verhältnis viel mehr 1-Stern-Bewertungen als die anderen Sieger-Bücher.
Auffällig ist ausserdem die hohe Anzahl an «unverifizierten» Bewertungen: Rezensionen, bei denen Amazon nicht sicherstellen kann, ob die Rezensentinnen und Rezensenten das Buch gekauft oder gelesen haben.
2. Applaus für schlechte Bewertungen
Nutzerinnen und Nutzer von Amazon.de können bei einer Rezension anklicken, ob sie hilfreich war – eine Art Like-Knopf für Produkte-Rezensionen. Die Zahl der «hilfreich»-Voten wird von Amazons Algorithmen berücksichtigt und führt zu mehr Sichtbarkeit einer Rezension.
Die Datenanalyse zeigt, dass die 1-Stern-Rezensionen um ein vielfaches mehr «hilfreich»-Voten bekommen als jegliche andere Rezensionen. Bei «Blutbuch» landen 90 Prozent aller «hilfreich»-Voten bei 1-Stern-Bewertungen – und es sind bis zu 100 mal mehr Stimmen als bei anderen Gewinnerbüchern. Statt tatsächlich zu bewerten, wie hilfreich eine Rezension ist, wird hier mit den Voten eher Applaus oder Zustimmung ausgedrückt.
3. Mehr beleidigende Inhalte
«Blutbuch» wird nicht nur besonders oft mit 1-Stern-Rezensionen bewertet, deren geschriebener Inhalt ist auch deutlich beleidigender. SRF Data hat dafür die Software PerspectiveAPI verwendet. Diese klassifiziert Rezensionen aufgrund ihres Wortinhalts nach ihrem Beleidigungsgrad, der Wahrscheinlichkeit also, dass eine Rezension beleidigend ist.
Viele der als toxisch gekennzeichneten Inhalte sind beleidigend und greifen die Autorschaft in ihrer Identität an, sind also klar queer- und transfeindlich. Damit verletzen sie Amazons Community-Richtlinien. Trotzdem bleiben sie seit Tagen dort stehen.
Gemäss SRF Data Analysen wurden nur wenige Rezensionen nach Publikation wieder gelöscht. Wie organisiert die Rezensenten sind und viele Rezensionen gegen die Richtlinien verstiessen und gar nie erschienen sind, ist aber nicht ersichtlich.
Fazit
Die Analyse zeigt, dass Amazons Rezensionen, die eigentlich für die inhaltliche Bewertung geschaffen wurde, nun für die Verbreitung von Hass und als Plattform für transphobe Statements genutzt werden. Inwiefern dadurch für Kim de l‘Horizon ein wirtschaftlicher Schaden entsteht, ist unklar.
Für de l’Horizons Auftritte an der Frankfurter Buchmesse engagierte de l’Horizons Verlag jedenfalls einen Sicherheitsdienst zum Schutz vor Anfeindungen und Tätlichkeiten.