Zum Inhalt springen
Audio
Dystopische Zukunft im Roman «RCE» von Sibylle Berg
Aus Kultur kompakt vom 06.05.2022. Bild: Michael Eichhammer
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 15 Sekunden.

SRF-Bestenliste Die besten Bücher im Juni

Lust auf lange Leseabende? Das ist die Juni-Bestenliste mit fünf literarischen Highlights unserer Jury im Countdown.

5. Sibylle Berg: «RCE» (22 Punkte)

Sibylle Berg. RCE-Buchcover
Legende: Sibylle Berg: «RCE». Kiepenheuer & Witsch, 2022. 704 Seiten. Kiepenheuer & Witsch

Die jugendlichen Computer-Nerds aus Sibylle Bergs letztem Roman «GRM» sind erwachsene IT-Spezialisten und Hacker geworden. Wiedervereint wollen sie dem Kapitalismus – den Banken, Tech-Riesen und unermesslich Reichen – mit raffiniert programmierten «Remote Code Executions» den Stecker ziehen und einen Neustart erzwingen.

Denn die Welt ist eine hoffnungslose geworden. Klimawandel und Digitalisierung haben die Menschheit an den Rand des Abgrundes gebracht. Städte sind verwaist. Es gibt keine Geschäfte mehr, aber auch keine Bettler, keine Dealer, keine Proteste, keinen Schmutz. Alles ist bis in den letzten Winkel digitalisiert und kontrolliert.

RCE liegt in der Hand wie ein Pflasterstein, den man gar nicht werfen muss, weil er uns eh trifft. Falls wir untergehen, dann bitte mit der Eloquenz von Sibylle Berg.
Autor: Nora Zukker Leiterin Literaturredaktion Tamedia

4. Fatma Aydemir: «Dschinns» (24 Punkte)

 Fatma Aydemir. Dschinns Buchcover
Legende: Fatma Aydemir: «Dschinns». Hanser 2022. 367 Seiten. Hanser

Istanbul in den 1990er-Jahren: Hüseyin, 59, stirbt in einer 3-Zimmer-Wohnung. Ausgerechnet jetzt, wo er sich nach 30 Jahren Schufterei in einer Metallfabrik in Deutschland seine eigenen vier Wände in der alten Heimat leisten kann.

Die ganze Familie reist überstürzt zu seiner Beerdigung an. In der engen, stickigen Wohnung treffen Ehefrau, Töchter und Söhne aufeinander. Die Emotionen gehen hoch. Alle sind überfordert, alle haben miteinander Rechnungen offen.

Vor allem aber: Alle gehen völlig unterschiedlich mit den Geistern der Vergangenheit – den Dschinns ihrer Familie – um. Ein intensiver, grossartig erzählter Gefühlsroman über Trauer, Einsamkeit und die Schwerkraft einer Familie, in der sich unausgesprochene Wahrheiten verbergen.

Eine vielschichtige, psychologisch starke Familiengeschichte, in der es nicht zuletzt darum geht, dass man in sein eigenes Herz schauen sollte, um zu wissen, wer man ist. Denn nur wenn man das weiss, kann man einander vergeben.
Autor: Annette König Literaturredaktorin SRF
Audio
Ein türkisches Familiendrama in Deutschland
aus Kultur kompakt vom 25.05.2022. Bild: IMAGO / Gerhard Leber
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 37 Sekunden.

3. Rebekka Salm: «Die Dinge beim Namen» (27 Punkte)

Rebekka Salm. Die Dinge beim Namen – Buchcover
Legende: Rebekka Salm: «Die Dinge beim Namen». Knapp Verlag, 2022. 128 Seiten. Knapp Verlag

1984 in einer Winternacht: Sandra, 16, wird vom gleichaltrigen Max vergewaltigt. Im 500-Seelen-Dorf hat jede und jeder eine eigene Version dieses sexuellen Übergriffs mit Kindsfolge im Kopf – auch 35 Jahre später. Der Vollenweider zum Beispiel hat damals aus der Ferne zugeschaut, ohne einzugreifen. Um sein Gewissen zu erleichtern, will er nun Sandras Geschichte veröffentlichen.

Das bringt Unruhe ins Dorf. Denn «manchmal war eine Geschichte komplexer als die Geschichten, die man sich darüber erzählte, es erahnen lassen würden». Rebekka Salm nennt die Dinge beim Namen. Ihr Debüt ist pointiert und von der ersten bis zur letzten Seite hochspannend.

Ein dörflicher Mikrokosmos, in dem sich die ganze grosse Welt spiegelt.
Autor: Christian Meyer Buchhandlung Klosterplatz, Olten
Audio
Rebekka Salms Debütroman und andere aktuelle Buchtipps
aus BuchZeichen vom 03.05.2022. Bild: SRF
abspielen. Laufzeit 22 Minuten 42 Sekunden.

2. Michael Fehr: «Hotel der Zuversicht» (28 Punkte)

Michael Fehr. Hotel der Zuversicht Buchcover
Legende: Michael Fehr: «Hotel der Zuversicht». Der gesunde Menschenversand, 2022. 192 Seiten. Der gesunde Menschenversand

Michael Fehrs Geschichten bringen Alltägliches und Absurdes zusammen. Immer wieder kommen fantastische Elemente vor: Traum- oder Albtraumhaftes, bei dem wir uns bald fragen, wo in diesen Geschichten eigentlich die Grenzen zwischen Schein und Sein verlaufen.

Fehrs Geschichten verhandeln Momente des Menschseins, die wir alle kennen: Zwischenmenschliche Beziehungen oder unseren Umgang mit ungewohnten Situationen. Die Fantastik wirkt dabei wie ein Scheinwerfer, der das, was wir sonst für «normal» halten, in anderem Licht erscheinen lässt.

Michael Fehr erzählt 46 skurrile Kurzgeschichten. Ihren Humor gewinnen die musikalischen, farbkräftigen und expressiven Texte dadurch, dass das Abstruse geschildert wird, als wäre es das Normalste von der Welt – und umgekehrt.
Autor: Manfred Papst Autor NZZ am Sonntag
Audio
Buchbesprechung: «Hotel der Zuversicht» von Michael Fehr
aus Kultur-Aktualität vom 06.05.2022. Bild: SRF / Lukas Maeder
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 43 Sekunden.

1. Julia Weber: «Die Vermengung» (30 Punkte)

Julia Weber. Die Vermengung Buchcover
Legende: Julia Weber: «Die Vermengung». Limmat Verlag, 2022. 352 Seiten. Limmat

Die Autorin arbeitet an ihrem zweiten Roman, als sie mit ihrem zweiten Kind schwanger wird. Doch woher Kraft und Zeit nehmen für Kinder, das Schreiben, Freundschaft und Eigenleben? Um diese Fragen dreht sich Julia Webers sehr persönlicher Roman, der erlebbar macht, wie überfordernd eine solche Situation sein kann.

Gekonnt lässt die Autorin darin die Grenzen zwischen Lebensrealität und Fiktion zunehmend verschwimmen: Das Leben und die Kunst gehen nicht aneinander vorbei, sondern durcheinander hindurch.

«Ein persönliches und berührendes Buch voller Poesie und Feinsinn, in das man sich gern verstricken lässt.»
Autor: Simon Leuthold Literaturredaktor SRF

So entsteht die SRF-Bestenliste

Box aufklappen Box zuklappen

Die SRF-Bestenliste wird jeden Monat von einer Fachjury bestimmt. Zur Jury gehören 55 Buchkritikerinnen, Bibliothekare, Buchhändlerinnen, Literaturwissenschaftler und Vertreterinnen von literarischen Institutionen.

Jedes Jurymitglied darf jeweils bis zu vier Titel, deren Veröffentlichung nicht länger als sechs Monate zurückliegt, für die SRF-Bestenliste nominieren. Die Punktewertung funktioniert wie folgt:

  • 1. Platz: 7 Punkte
  • 2. Platz: 5 Punkte
  • 3. Platz: 3 Punkte
  • 4. Platz: 1 Punkt

Die vergebenen Punkte werden addiert und ergeben die jeweilige Reihung. Jedem Jurymitglied steht es frei, weniger (oder auch gar keinen) Titel zu nominieren. Sobald ein Titel drei Mal auf der SRF-Bestenliste vorgekommen ist, wird er gesperrt, um einen gewissen Titelumlauf zu gewährleisten.

Im Sinne einer grösstmöglichen Transparenz, Objektivität und Unparteilichkeit im Abstimmungsverfahren dürfen keine Bücher nominiert werden, deren Autor:in Mitglied der Jury ist.

Die Jurymitglieder von A bis Z

Wöchentlich frischer Lesestoff im Literatur-Newsletter

Box aufklappen Box zuklappen

Der Literatur-Newsletter bietet die perfekte Inspiration für das nächste Buch. Ausserdem wird jede Woche eine Schweizer Schriftstellerin oder ein Schweizer Schriftsteller in den Fokus gerückt. Newsletter jetzt abonnieren.

Radio SRF 2 Kultur, Literaturclub: Zwei mit Buch, 20.05.2022, 14:01 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel