«Vapaux» ist ihr Künstlerinnenname. Er ist an «Vapaus», das finnische Wort für Freiheit, angelehnt. «Freiheit ist mir wichtig», sagt Valentina Vapaux denn auch. Das zeigt sich etwa darin, dass sie lieber Dinge ausprobiere, statt sich festzulegen.
Früher hat sie Reiseberichte und Make-Up-Tutorials gemacht, heute produziert sie vor allem Literatur-Content. In ihren Kurzvideos spricht sie über alles, was sie beschäftigt: von psychischer Gesundheit über Bisexualität bis Mode.
«Ich bin Influencerin geworden, um mir das Schreiben zu finanzieren», erzählt sie. Literatur und Schreiben sind für sie eins: «Ich habe schon immer geschrieben und schon immer gelesen.»
Mehr «Realness» wagen
Auf BookTok vertritt Valentina Vapaux eine neue Art der Literaturkritik. Eine, die junge Menschen interessiert. Wen genau, kann sie dank der Statistiken exakt benennen: «Junge Frauen zwischen 18 und 25 Jahren.» Warum? Einerseits, weil sie im Gegensatz zum klassischen Feuilleton jene Bücher bespricht, die junge Frauen tatsächlich lesen. Andererseits gehe es um das «wie».
Auf BookTok zählen die grossen Gefühle. Da wird auch mal geheult vor der Kamera oder ein Buch an die Wand geworfen. «Wir machen uns nicht vor, objektiv zu sein», sagt Vapaux. Darin liege die Stärke von BookTok: «Es ist wenigstens ehrlich.»
Eine neue Sprache für Literatur
Valentina Vapaux trägt in einem ihrer Videos blau-rosa Lidschatten. Ton in Ton mit dem Cover von Dana Vowinckels Buch «Gewässer im Ziplock», das sie in der Hand hält. Ein Buch, das sie bei der Lesung «extrem berührt hat».
Vapaux und ihresgleichen schaffen nicht nur ein neues Lesepublikum, sondern eine neue, rasante Sprache, um über Literatur zu sprechen. Rasant ist dabei wortwörtlich zu verstehen: Die Kurzvideos werden oftmals in erhöhter Abspiel-Geschwindigkeit publiziert.
Bücher werden in andere Sinne übersetzt, etwa in Playlists, die die Atmosphäre eines Buchs spiegeln. Dialoge aus Büchern werden nachgespielt oder fiktive Begegnungen zwischen toten Schriftstellern erfunden. Im «SRF Literaturclub» erzählt Vapaux etwa vom anhaltenden Kafka-Hype, der sich auch in Form von Memes zeige.
Zu unterkomplex?
«Es gibt zwei Gründe, wieso ich Menschen auf BookTok folge», erklärt Vapaux. Entweder, weil sie deren Lesegeschmack teile oder weil sie die Menschen spannend finde. Aus denselben Gründen folgen ihr die jungen Frauen.
Ungefähr die Hälfte der Kommentare unter ihren Videos beziehen sich auf die besprochenen Bücher, die andere auf Vapaux’ Aussehen, ihren «angelic look», ihren «vibe», ihren «style». Bestätigt das, was Literaturkritiker einer älteren Generation bemängeln? Nämlich, dass BookTok unterkomplex und oberflächlich sei?
Junge Frauen tragen die Kulturindustrie
Vapaux wendet ein: «Ich verstehe nicht, wieso BookTok immer gegen das Feuilleton ausgespielt wird.» Jeder Person auf TikTok sei klar, dass es sich um zwei unterschiedliche Dinge handle. «Ich sehe unsere Inhalte ergänzend zu klassischen Rezensionen», betont sie.
BookToker definieren den Literaturbegriff offener. Jeder darf mitreden. Was das Feuilleton von BookTok lernen kann, ist, nicht an den Interessen junger Frauen vorbeizuschreiben. «BookTok ist ein weiblicher Space», betont Vapaux. Und junge Frauen und queere Menschen trügen fast die ganze Kulturindustrie.
Höchste Zeit also, sie ernst zu nehmen.