Emine Sevgi Özdamar ist die zwölfte Frau, die die renommierte Auszeichnung bekommt. Der Georg-Büchner-Preis gilt als wichtigster deutscher Literaturpreis und ist mit 50'000 Euro dotiert.
Die 1946 in der Türkei Geborene habe mit ihren autobiografisch grundierten Theaterstücken, Erzählungen und Romanen Herausragendes geleistet, schreibt die Jury der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
Autobiografisches in eigenem Sound
Die deutsche Sprache und Literatur würden Özdamar «neue Horizonte, Themen und einen hochpoetischen Sound» verdanken. Dieser speist sich zweifelsohne zu einem guten Teil aus der wechselhaften Biografie der 75-Jährigen.
Die Kindheit verbrachte die Schriftstellerin, Schauspielerin und Theaterregisseurin in der ländlichen Türkei. 1971 erlebte sie dort den Militärputsch. Vier Jahre später verliess sie ihre Heimat, um an verschiedenen Bühnen zu arbeiten: in Ost-Berlin, Paris, Avignon und Bochum. Heute lebt sie in Berlin.
Historische und persönliche Erfahrungen
Immer wieder greift Özdamar in ihrem Werk die wechselhafte deutsch-türkische Geschichte auf und verbindet diese literarisch meisterhaft mit Autobiografischem und Familiärem. So schreibt sie etwa über die Zeit des Ersten Weltkriegs, oder über die Aufbruchstimmung in den 1960er und 1970er Jahren. Oder über ihre Erfahrungen aus der Diktatur in der Türkei.
Um sie dreht sich unter anderem auch der im vergangenen Jahr erschienene Monumentalroman «Ein von Schatten begrenzter Raum». Sie habe damals – vor ihrer Emigration – am eigenen Leib erlebt, wie sehr eine Diktatur die Sprache zurichten könne: «Die Worte wurden krank gemacht. Wir mussten sie unter der Zunge verstecken», sagte sie in einem Interview mit SRF.
Im Geiste Büchners
Indem Özdamar Zeitgeschichtliches und Politisches in ihr literarisches Schaffen einfliessen lässt, ist sie eine geradezu idealtypische Trägerin des Büchner-Preises: Der 1837 in jungen Jahren verstorbene Georg Büchner und Namensgeber des Preises zeichnete sich in seinem Werk neben hoher literarischer Qualität durch eine dezidierte politisch-gesellschaftliche Parteinahme aus.
Der literarische Durchbruch gelang Emine Sevgi Özdamar 1991 mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis. Sie gewann diesen für einen Ausschnitt aus ihrem von der Kritik hochgelobten Romandebüt «Das Leben ist eine Karawanserei, hat zwei Türen, aus einer kam ich rein, aus der anderen ging ich raus.»
Eine einzigartige literarische Stimme
Das Werk bildete den Auftakt zu einer Romantrilogie, aufgrund derer die Autorin mit Auszeichnungen regelrecht überhäuft wurde. Özdamar erreicht ihr Publikum nicht nur durch ihre dringlichen Inhalte, sondern ebenso durch ihre Beherrschung der Sprache.
Die Skurrilität, mit der die Autorin Alltagsgeschichten zu erzählen vermag und ihre Fähigkeit, parallel aus ganz unterschiedlichen Perspektiven zu erzählen, machen Özdamar zu einer einzigartigen literarischen Stimme. Dasselbe gilt für ihren von Lakonie getränkter Wortwitz.
Mit dem Georg-Büchner-Preis hat das über drei Jahrzehnte andauernde Schaffen dieser aussergewöhnlichen Autorin eine verdiente Würdigung erhalten.