Es war Freitag, der 7. Mai 1824: Im Wiener «Theater am Kärntnertor» wurde zum ersten Mal Ludwig van Beethovens 9. Sinfonie gespielt – bekannt als «Ode an die Freude».
Ein musikalischer Meilenstein
Das Stück war schon damals ein Politikum. Es wurde eingesetzt gegen den angeblich zu starken Einfluss der italienischen Musik in Wien. Vor allem gegen die Musik Gioacchino Rossinis.
Heute gilt die Uraufführung als «Meilenstein der Musikgeschichte», wie das Bonner Beethoven-Haus schreibt. Für viele ist Beethovens 9. Sinfonie daher die «Sinfonie der Sinfonien» und aus dem Klassik-Repertoire so wenig wegzudenken wie die Mona Lisa aus dem Louvre.
Aber Beethoven war schon zeitlebens ein Star. Schon lange vor seiner Neunten. Er hatte Beziehungen bis zum Kaiserhaus. Zu dieser Uraufführung kam denn auch die ganze Haute-Volée Wiens. Das Haus mit 2'400 Plätzen war ausverkauft.
Beethoven wagt etwas Neues
Eine Sinfonie mit einem gesungenen Text war ein Novum. Wo Text ist, ist der sonst vage musikalische Inhalt plötzlich überdeutlich.
Beethoven trug sich lange mit dem Gedanken, Friedrich Schillers «Ode an die Freude» zu vertonen. Ein Gedicht, in dem eine Zukunft der Gleichberechtigung imaginiert wird. In den Worten seiner Zeit schreibt Schiller: «alle Menschen werden Brüder».
Vom Avantgarde-Werk zur Polit-Hymne
Die Hymne, drei Töne hoch, drei Töne herunter, lässt sich leicht mit- und nachsingen. Und wurde vielfach für politische Zwecke benutzt.
In den 1970er-Jahren wurde sie zur Nationalhymne für das damalige Apartheid-Regime Rhodesien. Ein Jahrzehnt später sangen Frauen in Chile Beethoven, um damit für die Freilassung politischer Gefangener zu protestieren.
Juni 1989 sodann: Studenten in China singen die Ode bei ihren Protesten auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking.
Und als im Herbst 1989 in Berlin die Mauer fällt, dirigiert kurz darauf Leonard Bernstein die Neunte mit Orchestern und Sängerinnen und Sänger aus Ost und West.
Europahymne mit Schattenseiten
Als Europahymne gilt Beethovens Sinfonie-Finale bereits seit 1972. Der Europarat wollte allerdings nicht, dass ein deutscher Text erklingt, also, dass eine Sprache bevorzugt wird.
Der Rat beauftragte Herbert von Karajan mit einem Instrumental-Arrangement ohne Stimmen, das seither gespielt wird. Das wird heute kritisiert, denn Karajan gilt nicht als unbefleckt: 1933 trat er der NSDAP bei.
Stimmen, unter anderem die des Musikwissenschaftlers Esteban Buch, fordern, man solle die Karajan-Version nicht mehr spielen. Buch sagt, ihn störe «die unaufgearbeitete Nazi-Vergangenheit Karajans. Seine Verbindungen zum NS-Regime werden bei jedem erneuten Spielen der Hymne aufs Neue unter den Tisch gekehrt.»
Der Vorschlag Buchs ist, nicht eine neue Hymne für Europa zu komponieren. Sondern einfach die Originalversion zu spielen – mit Text, auch wenn dieser deutsch ist.