Seit Mitte März läuft in vielen Kulturhäusern der Schweiz kaum mehr etwas. Auch das Opernhaus Zürich steht praktisch still. Gespielt werden darf aufgrund der «ausserordentlichen Lage» bis Ende April nicht mehr, auch Proben finden bis auf Weiteres nicht statt.
Christian Berner, der kaufmännische Direktor des OHZ, musste für 600 seiner rund 700 Mitarbeitenden Kurzarbeit beantragen. Für die Orchester-Musizierenden etwa, für das Corps de Ballett oder für den Chor.
Schwierige Lage für Freischaffende
Christian Berner führt interne Gespräche mit den Betroffenen. Man muss sich entgegenkommen und gemeinsam Lösungen finden, denn mit der Kurzarbeit werden die Löhne in der Regel nicht vollständig abgedeckt.
Für freischaffende darstellende Künstlerinnen und Künstler allgemein und auch für befristet Engagierte am Opernhaus ist die Lage noch schwieriger. Für sie als direkt Betroffene des Spielverbots gibt es die «Corona-Erwerbsausfallentschädigung»: Ein Taggeld von maximal 196 Franken.
Viele Premieren abgesagt
Am Opernhaus Zürich sind momentan nur noch ein paar Abteilungen im Einsatz: Die Verwaltung, die Billettkasse, welche die ganzen Stornierungen bearbeitet, und die Werkstätten. In den Werkstätten werden etwa Kostüme für künftige Produktionen vorbereitet und produziert.
Allerdings musste das OHZ mittlerweile auch mehrere Premieren, die für April oder Mai angesetzt waren, absagen oder auf Jahre hinaus verschieben – unter anderem die Uraufführung von Stefan Wirths Oper «Girl with a Pearl Earring», eine neue Operetten-Inszenierung und einen Ballettabend.
Problem: Vorlaufzeit
Nicht nur in Zürich wurden Premieren abgesagt. Auch andere Häuser wie das Theater Bern mussten bereits den Rotstift ansetzen. Der Grund: Bühnenproduktionen brauchen mehrere Wochen Vorlaufzeit, unter anderem für die Probenarbeit. Vor einer Premiere ist etwa sechs Wochen Vorlauf nötig, für Wiederaufnahmen im Schnitt etwa zwei Wochen.
Insgesamt rechnet Christian Berner beim Opernhaus Zürich bis Ende April mit einem Schaden von rund 3 bis 4 Millionen Franken, verursacht vor allem durch die fehlenden Ticketeinnahmen. Ein herber Verlust zwar, aber das Haus ist durch den hohen kantonalen Subventionsanteil von rund 60 Prozent relativ gut gestützt.
Private Veranstalter haben es schwer
Private Veranstalter sind weniger weich gebettet. Festivals etwa, die mit einem deutlich geringeren Subventionsanteil auskommen müssen (beim Lucerne Festival beträgt er circa 5 Prozent). Sie sind auch in der momentanen, wirtschaftlich schwierigen Lage grösstenteils auf die Gunst und die Solvenz von Sponsoren angewiesen.
Den weiteren Verlauf der Spielzeit zu planen ist in der «ausserordentlichen Lage» schwierig. Keiner weiss, ab wann wieder regulär geprobt und gespielt werden kann. Grosse und kleine Veranstalter müssen also diverse Szenarien in Betracht ziehen und deren finanzielle Konsequenzen berechnen. Gleichzeitig müssen sie die Entscheide des Bundesrats abwarten, um den Betrieb in den kommenden Wochen und Monate überhaupt festlegen zu können. Eine Sisyphusarbeit.
Fehlender Millionenbetrag
Im Falle einer Schliessung des Opernhauses Zürich bis zum Ende der Spielzeit Mitte Juli würde im Etat des Hauses ein zweistelliger Millionenbetrag fehlen, sagt Christian Berner. Alle hoffen, dass es nicht soweit kommt.
Einen Lichtblick gibt es immerhin fürs Publikum: Das OHZ sendet online Lebenszeichen. In den nächsten Wochen werden sämtliche Aufzeichnungen von Opern- und Ballettaufführungen des Opernhauses Zürich als kostenloses Streaming-Angebot auf der hauseigenen Website zur Verfügung gestellt.