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Faschistische Lieder: Spotify fliegt unter rechtlichem Radar
Aus Kultur-Aktualität vom 05.07.2024. Bild: IMAGO / MiS
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Nazi-Bands und Rechtsrock Ist Spotify auf dem rechten Auge blind?

Täglich werden rund 100'000 Songs auf Spotify geladen. Auch solche mit fragwürdigen rechten Inhalten. Inwiefern kann Spotify für die Verbreitung in die Verantwortung genommen werden?

Wer auf Spotify mit einschlägigen Begriffen wie «Rechtsrock» nach Musik sucht, wird schnell fündig. In gleichnamigen Playlists finden sich Songtitel wie «Viel Spass beim Sterben», «Das Deutsche Herz», «Freiheit, Ehre, Vaterland» oder «Wir sind im Krieg». Die Songs stammen von Bands, die Namen tragen wie «Frontalkraft», «Ahnenblut» oder «Germanium».

Versteckte rechtsradikale Botschaften

Rechtsrock ist die Bezeichnung für harte Rockmusik, die rechtsextremes oder neonazistisches Gedankengut verbreitet. Wer sich rassistisch oder diskriminierend äussert oder zur Hetze aufruft, begeht ein Offizialdelikt und macht sich strafbar. Das wissen auch Rechtsrockbands. Entsprechend geübt sind sie im Formulieren ihrer Songtexte und im verbalen Verschleiern ihrer Nachrichten.

Vordergrund von Bild verschwommen, im Hintergrund Person mit T-shirt mit Aufdruck «HKNKRZ» zu erkennen.
Legende: Faschistische Botschaften sind oft verschleiert oder codiert: auf dem T-shirt wie in Songs. Keystone / DPA-Zentralbild

«Das Strafrecht muss zum Schutz aller sehr genau sein», sagt Rechtsanwalt Viktor Györffy. Darum können Texte, bei denen auf der Hand liegt, dass sie als hetzerisch, abwertend oder rassistisch zu interpretieren sind, nicht in jedem Fall dingfest gemacht werden.

Braunes Rabbit Hole

Wer sich einen Song anhört auf Spotify, bekommt immer auch ähnliche Songs vorgeschlagen. So funktioniert der Spotify-Algorithmus. Wer einmal die Rechtsrock-Abzweigung genommen hat, gerät immer tiefer ins braune Rabbit Hole – das macht der Selbstversuch deutlich.

Spotify stellt nur eine Plattform zur Verfügung.
Autor: Viktor Györffy Rechtsanwalt

Was, wenn da nun tatsächlich ein Song auftaucht, der eindeutig gegen das Strafgesetzt verstösst? Klar ist: Der Urheber des Songs kann angezeigt werden. Könnte auch Spotify strafbar gemacht werden, weil der Streamingdienst zur Verbreitung problematischer Inhalte beiträgt?

Kein klarer Vorsatz

«Spotify stellt nur eine Plattform zur Verfügung, kann also strafrechtlich nicht grundsätzlich für die Inhalte verantwortlich gemacht werden», sagt Rechtsanwalt Viktor Györffy. In Bezug auf die automatische Verbreitung problematischer Songs sei die rechtliche Verantwortlichkeit nicht geklärt. Denn: «Das Strafrecht hat vor allem Einzelpersonen im Blick. Ausserdem braucht es einen Vorsatz, also eine bewusste Handlung», so Györffy.

Bei Spotify erfolgt die Verbreitung von Songs indirekt über den Algorithmus. Mithilfe des Strafrechts kann dem Spotify-Algorithmus also kaum etwas entgegengesetzt werden.

Allenfalls könnte das Medienrecht greifen, sagt Rechtsanwalt Györffy. Zudem hat die EU spezifische Bestimmungen für die Verantwortlichkeiten von Plattformen ausgearbeitet. Aktuell liege der Fokus aber vor allem auf den sozialen Medien, also Facebook, Tiktok und Instagram. Spotify fliegt unter dem Radar.

Moralische Verantwortung

Auf Medienanfragen antwortet Spotify mit einem Verweis auf die eigenen Richtlinien. Dort steht, dass der Streamingdienst Gewaltverherrlichung, Aufruf zu Gewalt, Hass, Beleidigungen und Diskriminierungen nicht toleriere. Gleichzeitig werden pro Tag rund 100'000 neue Songs auf Spotify geladen. Hier die Übersicht zu behalten, dürfte schwierig sein.

Trotzdem: Spotify hat die Algorithmen programmiert. Wenn nun eine Person, die gerne Musik mit rechten Inhalten hört, strafrechtlich relevante Songs vorgeschlagen bekommt, dann hat Spotify sehr wohl eine Verantwortung. Eine moralische, gesellschaftspolitische Verantwortung.

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Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 5.7.2024, 17:10 Uhr.

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