Am Gipfeltag muss alles stimmen, insbesondere das Wetter. Die aktuelle SRF-Serie «Wahnsinn am Everest» begleitet zwei Expeditionsteams auf ihrem Gipfelversuch am Mount Everest. Fabian Umbricht beleuchtet die Wetterverhältnisse und erklärt, dass künstlicher Sauerstoff erlaubt, bei anspruchsvollerem Wetter in solchen Höhen unterwegs zu sein.
SRF: Wie ist das Wetter diese Woche am Mount Everest?
Fabian Umbricht: Gestern und vorgestern wäre das Wetter perfekt gewesen für einen Gipfeltag. Allerdings erlebte Nepal letzte Woche ein extremes Niederschlagsereignis. Während es in Kathmandu zu heftigen Überschwemmungen kam, fiel in den hohen Bergen aussergewöhnlich viel Schnee, der den Expeditionsteams nun einen Strich durch die Rechnung macht.
SRF: Wie schaut denn ein perfekter Gipfeltag aus?
Idealerweise ist es warm und hat wenig Wind. Profibergsteiger Ueli Steck verfolgte die 20iger-Regel: nicht kälter als -20 Grad Lufttemperatur und maximal 20 km/h Wind.
Mit zusätzlichen Sauerstoff kann man bei stärkerem Wind unterwegs sein.
Mit Sauerstoff-Flaschen verschiebt sich dieser Bereich nach oben: Mit dem künstlichen Sauerstoff kann der Körper mehr Energie produzieren und die Extremitäten sind besser durchblutet, man kühlt weniger schnell aus. Die Temperatur ist selten das Problem. Der kritische Faktor ist meistens der Wind.
SRF: Wie oft passt das Wetter für eine Gipfelbesteigung?
Etwa 90 Prozent der Gipfelbesteigungen finden zwischen Mitte und Ende Mai statt. Je früher die Sherpas passende Verhältnisse haben, um alle Fixseile bis zum Gipfel einzurichten, desto länger ist das Fenster für potenzielle Gipfeltage.
Man kann nicht jedes Jahr damit rechnen, dass ein ideales Wetterfenster kommt.
Für Teams mit Sauerstoff, die auch mehr als 30 km/h Wind in Kauf nehmen können, gibt es während dieser zwei bis drei Wochen fast jedes Jahr ein passendes Wetterfenster. Für diejenigen, welche ohne Sauerstoff unterwegs sind, gibt es immer wieder Jahre, in denen die Bedingungen nie passen.
SRF: Wie weit im Voraus erkennt Ihr ein gutes Wetterfenster?
Ein markantes Schönwetterfenster wie das aktuelle können wir etwa fünf bis sechs Tage vorher erkennen, manchmal auch mehr. Schwierig sind grenzwertige Tage, da sie von kleinsten Veränderungen im Höhenwind abhängen. Diese sind teils einen Tag im Voraus noch unsicher. Ein weiterer erschwerender Faktor sind Gewitter. Ein einzelnes Gewitter im Khumbu-Gebiet kann den Wind am Everest komplett verändern. Das Vorhersagen von lokalen Gewittern ist im Himalaya ein ähnliches Glücksspiel wie bei uns in den Alpen.
SRF: Expeditions-Veranstalter «Furtenbach Adventures» bietet dreiwöchige Flash-Expeditionen an und plant für die Zukunft «Everest in a week». Ist dies realistisch?
Kühn - aber wohl in gewissen Jahren machbar, wenn man die Flexibilität mitbringt, um die entsprechenden Bedingungen abzuwarten. 2018 benötigten Adrian Ballinger und Emily Harrington lediglich zwei Wochen von ihrem Zuhause in den USA auf den 8188 m hohen Cho Oyu im Himalaya und wieder zurück.
Die Weiterentwicklung der Wettermodelle für diese Region hat im letzten Jahrzehnt keinen Quantensprung gemacht. Die Auflösung hat sich etwas verbessert, aber es gibt noch stets keine Messwerte vor Ort.
Die tatsächlichen Gamechanger dieses Jahrzehnts sind die Vorbereitung im Hypoxiezelt, grosszügiges Einsetzen von Sauerstoff und die bessere Ausrüstung, so zum Beispiel Sohlenheizung. Dies erlaubt Besteigungen bei Wind-Verhältnissen, wie sie früher undenkbar gewesen wären. Doch auch bei der bestmöglichen Vorbereitung und Ausrüstung hat das Wetter am Berg schliesslich das letzte Wort.
Das Gespräch führte Stephanie Westerhuis.