Kurz vor der EM spricht Nati-Goalie Yann Sommer mit Judith Wernli über seine Karriereanfänge, psychische Gesundheit im Fussball-Business und seine Liebe zu italienischem Essen und zur Musik.
SRF: Du machst Musik, nimmst Gitarren- und Gesangsunterricht. Was bedeutet Musik für dich?
Yann Sommer: Zuerst einmal hat es mir Spass gemacht, etwas Neues zu lernen. Herauszufinden, was ich mit meiner Stimme machen kann. Und zusätzlich war es eine Möglichkeit, auszubrechen aus dem Fussball-Business und neue Leute kennenzulernen, die einen anderen Hintergrund haben.
Selbst eine Live-Session bei SRF 3 spielen: Ist das eine Option für dich?
In den letzten Monaten bin ich etwas aus dem Rhythmus gekommen, habe in Mailand keinen Gitarrenlehrer mehr und muss mir das zuerst wieder neu aufbauen. Grundsätzlich macht mir das Musizieren aber viel Spass und darum: Why not? Ihr könnt mich auf die Liste tun (lacht).
Musizieren, Fussball spielen – und nun hast du auch noch innert kürzester Zeit Italienisch gelernt.
Mit meinem Italienisch bin ich noch nicht ganz zufrieden, aber ich verstehe das meiste. Es war klar, dass ich die Sprache lernen muss, denn viele im Verein sprechen Italienisch. Und es ist einfach schön, mit den Menschen vor Ort sprechen zu können. Mein Vorteil ist, dass ich schon in der Schule gut in Sprachen war – ganz im Gegensatz zum Rechnen.
Das Leben in Italien bringt nicht nur eine neue Sprache mit sich, sondern auch andere Kulinarik. Wie ist das für dich?
Ein Traum (lacht). Was ich an der Kulinarik in Italien liebe: Egal wo man hinkommt, auch in der kleinsten Beiz, wird das Essen zelebriert.
Ich bin stolz darauf, nett zu sein.
Manche kritisieren an dir, dass du zu nett seist. Was ist falsch daran, nett zu sein?
Nichts. Nett und freundlich zu sein, ist für mich etwas Positives – und so werde ich auch immer bleiben. Ich verstelle mich nicht, aber natürlich bin ich im Privatleben etwas offener und entspannter. Manchmal höre ich über mich, dass ich keine Ecken und Kanten hätte. Da würde mein Umfeld widersprechen.
Treffen dich diese Kommentare?
Gar nicht. Wenn man im Fussball-Business ist und in der Öffentlichkeit steht, ist es gar nicht so einfach, diese Nettigkeit und Offenheit beizubehalten. Darum bin ich eher stolz darauf.
Ich mache ein Check-in zum Goalie und ein Check-out zum Familienvater.
Was war für dich der Impuls, mit einem Mentalcoach zusammenzuarbeiten?
Das war nicht aus einer negativen Erfahrung heraus. Meine Eltern fanden, das könnte für mich als Goalie wichtig sein. In der Regionalauswahl Nordwestschweiz hatte ich einen Trainer, der Psychologe ist – und mich nun seit über 10 Jahren mental unterstützt. Wir machen zum Beispiel ein Check-in zum Goalie und ein Check-out zur Privatperson und Familienvater Yann. Das hilft beim Fokussieren und Abschalten.
Psychologische Unterstützung finde ich auch abseits des Sports wichtig. Wir alle haben Gedanken und Zweifel, das ist ganz normal. Da kann es helfen, mit jemandem ausserhalb des eigenen Umfelds zu sprechen.
Hattest du einen Plan B, falls es mit dem Fussball nicht geklappt hätte?
Als ich 17 war, stand ich tatsächlich vor einer schwierigen Entscheidung. Ich war mitten in der Handelsschule, hatte noch zwei Jahre vor mir. Zu diesem Zeitpunkt sollte ich zum FC Vaduz ausgeliehen werden und musste dafür die Schule abbrechen. Zum Glück hatte ich einen tollen Rektor, der mir sagte, dass ich zurückkommen kann, falls es nicht klappt. Das hat mir viel Sicherheit gegeben, den Schritt zu wagen.
Das Gespräch führte Judith Wernli. Es ist in kompletter Form als Podcast und Video verfügbar.