Der 8. Mai 2014 war ein grosser Tag in Genua, in den Werkhallen des Industriekonzerns Ansaldo. Verkündet wurde der Einstieg des chinesischen Staatsbetriebs Shanghai Electric bei Ansaldo. Die Chinesen übernahmen 40 Prozent des italienischen Vorzeigebetriebs.
Ministerpräsident Matteo Renzi höchstpersönlich war bei der Unterzeichnung des Deals dabei. Der italienische Staat ist bei Ansaldo nämlich stark vertreten. Der 40-Prozent-Anteil gehörte dem Staat und dieser ist nach wie vor Mehrheitsaktionär.
Man habe jetzt Zugang zum chinesischen Mark, frohlockte Renzi. Bestandteil des Übernahmevertrags waren auch die Gründung eines Joint Ventures zur Entwicklung grosser Gasturbinen und der Bau eines Forschungs- und Entwicklungszentrums für Gasturbinen in Shanghai.
Italienische Ansaldo in den Startlöchern
Zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung wusste man schon längst, dass die Energiesparte des französischen Konzerns Alstom angeschlagen war. Insbesondere das Geschäft mit den Gasturbinen harzte.
Alstom war auf Brautschau. Und man wusste: General Electric war an diesem Geschäft interessiert. Was aber damals niemand ahnen konnte: Dank der Achse Alstom-General Electric sollten Ansaldo und Shanghai Electric auf einen Schlag zu grossen Player im Geschäft mit Hochleistungs-Gasturbinen werden.
Im Verlauf des Jahres 2015 konkretisierten sich nämlich die Übernahmepläne von GE. Die französische Regierung hatte nach einem langen Seilziehen grünes Licht gegeben zum Verkauf der Energiesparte von Alstom an die Amerikaner.
Dann richteten sich alle Augen auf Brüssel. Ohne die Einwilligung der Wettbewerbskommission der EU konnte die Übernahme nämlich nicht stattfinden. Im September 2015 fiel der Entscheid: GE konnte die Energiesparte von GE übernehmen.
EU-Wettbewerbskommission stärkt die Chinesen
Aber die Hochleistungs-Gasturbinen, das Paradepferd GT 26 und der Nachfolger GT 36, wurden GE vorenthalten. Das Argument der EU-Wettbewerbskommission: Würde GE diese Turbinen von Alstom übernehmen, gäbe es weltweit praktisch nur noch Siemens und General Electric in diesem Segment.
Es könnte ein Duopol entstehen mit Marktaufteilung und Preisabsprachen. Das Nachsehen hätten die Konsumenten, die überhöhte Preise bezahlen müssten für Gasturbinen-Kraftwerke von GE oder Siemens.
Die Hochleistungs-Turbinen müssten Ansaldo angeboten werden, entschied die EU-Wettbewerbskommission. Ansaldo liess sich nicht zweimal bitten und legte dafür 3 Milliarden Euro auf den Tisch. Für Februar 2016 ist das «Closing» des Deals angekündigt. Ab dann werden offiziell 430 ehemalige Alstom-Mitarbeiter zu Ansaldo wechseln.
3 Milliarden Euro sind eine stolze Summe für die kleine Ansaldo, die mit einem Umsatz von 1.5 Milliarden Euro (2014) und nur 3900 Mitarbeitenden ein Winzling ist im Vergleich zu General Electric (150 Milliarden Dollar Umsatz 2014, 300'000 Mitarbeitende weltweit). Aber mit Shanghai Electric im Rücken liess sich dieser Kraftakt bewältigen.
Shanghai Electric sichert Arbeitsplätze im Aargau
Wie sich der Entscheid der EU-Wettbewerbskommission langristig auswirkt, ist schwer zu sagen. Sicher wird die Konkurrenz unter den Produzenten von Gasturbinen auf dem chinesischen Markt hart sein. Siemens und General Electric könnten den Kürzeren ziehen. Das könnte dann wiederum Arbeitsplätze in Europa kosten.
Für den Werkplatz Aargau zumindest hat der Alstom-GE-Ansaldo-Shanghai-Electric-Deal allerdings zur Folge, dass zumindest die 430 Arbeitsplätze bei Ansaldo auf absehbare Zeit sicher sind. Das italienisch-chinesische Joint Venture wird alles dran setzen, die grossen Gasturbinen international zu vermarkten. Und vor allem wird die Gasturbine 36 mit Hochdruck weiterentwickelt.
Dazu möchte Ansaldo sogar noch mehr Fachleute von General Electric übernehmen. GE ist aber nicht daran interessiert, den neuen Konkurrenten über die EU-Auflagen hinaus mit Know How und Personal zu beliefern.
(Regionaljournal Aargau Solothurn, 17:30 Uhr)