- Genf führt als vierter Kanton in der Schweiz einen Mindestlohn ein. Neuenburg, Jura und das Tessin sind bereits vorausgegangen.
- Als vor sechs Jahren ein nationaler Mindestlohn an der Urne verworfen wurde, sagten die Genferinnen und Genfer auch noch deutlich Nein.
- Die Kehrtwende an diesem Abstimmungssonntag habe auch mit der Coronakrise zu tun, sagen die Unterstützer des Mindestlohns.
Die Corona-Pandemie habe den Befürworterinnen und Befürwortern des Mindestlohns den nötigen Aufschwung gegeben, lautet der einstimmige Tenor in Genf. Die Krise habe deutlich vor Augen geführt, wie viele sogenannte «working poor» in Genf leben – Menschen, die trotz Vollzeitanstellung nicht über die Runden kommen. Für Regierungspräsident Antonio Hodgers ist dieses Ja mit 58 Prozent deshalb auch ein Ausdruck von Solidarität.
Mit 23 Franken ist der Mindestlohn in Genf der höchste der Schweiz – mindestens drei Franken höher als in Neuenburg, im Jura oder im Tessin. Dies liegt an den höheren Lebenskosten in Genf.
Berechnet wurde der Mindestlohn nämlich in allen Kantonen gleich: anhand der Ergänzungsleistungen, also dem Betrag, den es zum Leben braucht. Der Genfer Mindestlohn gibt bei Vollzeitanstellung einen Monatslohn von gut 4000 Franken.
Kein Mindestlohn in der Landwirtschaft
Nach Schätzungen dürften rund 30'000 Personen von diesem Mindestlohn profitieren; mehrheitlich Frauen, die zum Beispiel als Coiffeuse oder Putzkraft oder in Restaurants und Hotels arbeiten.
Auch Branchen mit Gesamtarbeitsverträgen dürfen den Mindestlohn nicht unterschreiten. Einzige Ausnahme ist die Landwirtschaft. Gegner haben im Vorfeld befürchtet, dass es in Genf nun für unqualifizierte Arbeitskräfte schwieriger werde, einen Job zu finden. Denn Arbeitgeber, die neu ohnehin einen Mindestlohn bezahlen müssen, würden sich eher nach qualifizierten Arbeitskräften aus dem nahen Frankreich umsehen.
Der Grüne Regierungspräsident Hodgers entgegnet auf Radio RTS, dass sich diese Befürchtungen zum Beispiel im Kanton Neuenburg nicht bewahrheitet hätten: «Trotzdem müssen wir genau beobachten, welche Auswirkungen der Mindestlohn von 23 Franken nun auf den Arbeitsmarkt in Genf hat.» Eingeführt wird der Mindestlohn bereits auf Ende Oktober 2020.