Wenn Mütter arbeiten, soll sich das auch finanziell lohnen. Sie sollen nicht mit hohen Krippenkosten und Steuern bestraft werden. Darum wollte der Bundesrat eigentlich höhere Kinderabzüge nur denen gewähren, die auch Betreuungskosten haben. Doch CVP, FDP und SVP wollen alle Familien bei der Bundessteuer entlasten. Im alten Parlament setzten sie höhere Kinderabzüge für alle überraschend durch.
Kaum gewünschter Effekt
Für Volkswirtschafterin Valérie Müller von der Denkfabrik Avenir Suisse ein fragwürdiger Entscheid. In einer neuen Studie, die im März erscheint, hat sie untersucht, welche Steuersenkungen mehr Frauen in den Arbeitsmarkt bringen.
Der Befund: Der höhere Kinderabzug bringt wenig für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. «Familien werden zwar steuerlich entlastet», sagt die Ökonomin, «aber es ist fragwürdig, ob damit die Erwerbstätigkeit von Müttern zunimmt».
FDP bezweifelt Studie
Der Kritik der wirtschaftsliberalen Denkfabrik ist unangenehm für den Fraktionschef der wirtschaftsliberalen FDP. Auch seine Fraktion stimmte den höheren Kinderabzügen zu. Fraktionschef Beat Walti (Nationalrat FDP/ZH) glaubt aber nicht, dass der höhere Kinderabzug gar keine Effekte hat. «Natürlich hat der allgemeine Abzug einen gewissen Streueffekt», sagt Walti, «aber er schafft doch einen Anreiz, mehr zu arbeiten und zu verdienen».
Die Studie von Avenir Suisse kommt jedoch zum Schluss: Die Erhöhung des Kinderabzugs wird beim Bund zu Steuerausfällen von 370 Millionen Franken jährlich führen. Ohne spürbare Effekte auf die Erwerbstätigkeit der Frauen. Avenir Suisse schlägt stattdessen eine Individualbesteuerung vor. Mann und Frau sollen separat besteuert werden. Das würde zu Ausfällen von rund 800 Millionen Franken bei der Bundessteuer führen – aber etwa 19'000 Stellen für Frauen generieren.
Kinderabzug bremst bessere Modelle aus
Das Problem: Mit dem höheren Kinderabzug bremse man eine sinnvollere Individualbesteuerung aus. «Wenn wir jetzt einer Reform zustimmen, die zu 370 Millionen Franken Steuerausfällen führt, wird es wohl in den nächsten Jahren schwieriger, eine weitere familienpolitische Vorlage durchzubringen», resümiert Valérie Müller von Avenir Suisse.
Die individuelle Besteuerung von Frau und Mann bleibt auch für die FDP das längerfristige Ziel. Und das sei trotz höherem Kinderabzug zu erreichen. Die 370 Millionen Franken Steuerausfälle entsprächen rund 3 Prozent der Bundessteuer, die natürliche Personen bezahlen würden, gibt FDP-Fraktionschef Beat Walti zu bedenken. Das sei ein vertretbarer Betrag.
Tagesschau, 05.02.20, 18 Uhr