- Die umstrittene Erhöhung des allgemeinen Kinderabzugs hat die Hürde der Schlussabstimmungen geschafft.
- Der Nationalrat stimmte mit 132 zu 62 Stimmen bei 3 Enthaltungen zu, der Ständerat mit 25 zu 17 Stimmen bei 3 Enthaltungen.
- Die SP ergreift das Referendum.
Es handle sich um Steuererleichterungen für Familien mit den höchsten Einkommen, begründete SP-Fraktionschef Roger Nordmann (VD) den Referendums-Entscheid vor der Schlussabstimmung. Von den insgesamt 350 Millionen Franken gingen 250 Millionen an Familien mit Bruttoeinkommen ab 150'000 Franken, tiefere Einkommen profitierten überhaupt nicht.
«Wer viel hat, dem wird viel gegeben», sagte Nordmann. Das habe nichts mit Familienpolitik zu tun. Der Titel der Vorlage müsse nun lauten: «Steuererleichterung für die Familien mit den höchsten Einkommen».
Erleichterung für Fachkräfte
Tatsächlich heisst die Vorlage «Steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten» und ist Teil der 2011 lancierten Fachkräfteinitiative. Ursprüngliches Ziel war es lediglich, den Bundessteuerabzug für die externe Betreuung von Kindern von 10'100 Franken auf 25'000 Franken zu erhöhen. Die Vergünstigung von Krippenplätzen sollte es vor allem gut ausgebildeten Frauen erleichtern, eine Arbeit aufzunehmen.
Trotz Skepsis der Linken – tiefe Einkommen zahlen keine Bundessteuer und profitieren daher auch nicht vom Steuerabzug – wurden sich die Räte rasch einig über den höheren Betreuungsabzug. Aufgrund eines Antrags aus den Reihen der CVP beschloss der Nationalrat jedoch auch die Erhöhung des allgemeinen Kinderabzugs von heute 6500 auf 10'000 Franken. Die Steuerausfälle stiegen von 10 Millionen Franken auf 350 Millionen Franken.
Bundesrat und Ständerat wehrten sich beharrlich gegen das, was Ständerat Roberto Zanetti (SP/SO) eine «finanzpolitische Frivolität» nannte. Die kleine Kammer hatte auch ordnungspolitische Vorbehalte, weil die Kantone zu den drohenden Steuerausfällen nicht einmal angehört worden waren.
Kehrtwende der FDP
Die Vorlage musste in die Einigungskonferenz, dann kippte ein Teil der FDP. Am Ende stimmte der Nationalrat der Erhöhung des Kinderabzugs klar zu, der Ständerat knapp mit zwei Stimmen Unterschied. In der Schlussabstimmung waren die Verhältnisse dann noch eindeutiger.
Die FDP werde die Vorlage in einem Referendumskampf «ohne schlechtes Gewissen» unterstützten, sagte Fraktionschef Beat Walti (ZH). Familienpolitik sei nicht nur Sozialpolitik, sondern auch Gesellschaftspolitik.
Familien mit hohen Einkommen hätten keinen Anspruch auf subventionierte Wohnungen oder Krippenplätze, sie zahlten auch die vollen Krankenkassenprämien. Gerade Eltern in diesen Einkommensklassen mit einem ambitionierten beruflichen Engagement dürften nicht steuerlich abgestraft werden. SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (ZG) sprach von «chrampfenden Vätern und Müttern», die im Gegensatz zu Asylbewerbern zehntausende Franken Steuern zahlten.
«Nichts gelernt»
GLP und Grüne lehnten den höheren Kinderabzug hingegen entschieden ab. Keine Bauernfamilie, keine Handwerkerfamilie, keine Familie aus dem Pflegebereich werde durch dieses Steuergeschenk entlastet, sagte Regula Rytz (Grüne/BE). Der grösste Teil davon fliesse in die Taschen der reichsten 15 Prozent. Rytz übte auch harte Kritik an der FDP, die nach der «Klimapirouette» nun auch eine familienpolitische Pirouette hingelegt habe.
Nordmann kritisierte die bürgerliche Mehrheit insgesamt. Die Legislatur ende, wie sie angefangen habe: In der ersten Sommersession im Juni 2016 habe er das Referendum gegen die Unternehmenssteuerreform III angekündigt, das gleiche tue er nun beim Kinderabzug. «Die Bürgerlichen haben nichts gelernt», sagte Nordmann.