Ärztinnen und Apotheker, Krebs- und Lungenliga befürworten die Initiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung». Nicht aber Gesundheitsminister Alain Berset. In der «Abstimmungs-Arena» vom Freitag warb der Bundesrat um Stimmen gegen die Vorlage. Das mag etwas erstaunen.
Ist der Staat nicht in der Pflicht, alle Massnahmen zu ergreifen, um junge Menschen davon abzuhalten, auch wegen Tabakwerbung zur Zigarette zu greifen? «Rauchen ist unbestrittenermassen schädlich», sagte dazu Berset. Aber das Rauchen sei nicht verboten und wenn ein Produkt legal verkauft werde, solle auch Werbung dafür gemacht werden können. Ausschliesslich um die Werbung gehe es in dieser Abstimmung. Er vertrat in der «Arena» die Meinung von Bundesrat und Parlament.
Umstrittener Weg zu mehr Jugendschutz
Grundsätzlich unterstrichen in der Sendung beide Seiten, die Initianten des Tabakwerbungsverbots sowie die Gegnerinnen, Jugendliche und Kinder vom Rauchen abhalten zu wollen. Doch der Weg zu mehr Jugendschutz, der hier zur Diskussion stand, ist stark umstritten.
Die Initiative will überall dort, wo Minderjährige sich aufhalten, Werbung konsequent verbieten. Bundesrat und Parlament hingegen haben einen Gegenvorschlag parat: Das neue Tabakproduktegesetz, das unabhängig vom Abstimmungsausgang in Kraft treten wird. Dieses sieht ein schweizweites Verkaufsverbot von Tabakprodukten an unter 18-Jährige vor, aber weniger weitreichende Massnahmen hinsichtlich der Werbung.
Bundesrat Berset stand in der Sendung offen Rede und Antwort. Er hätte sich mehr vom Gegenvorschlag erhofft. Seit 2004 will der Bundesrat das Rahmenübereinkommen der WHO zur Eindämmung des Tabakgebrauchs ratifizieren. Der Gegenvorschlag sei ein Kompromiss, aber dennoch ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, sagte Berset.
In der «Arena» stand sodann die Frage im Zentrum, was nun zu besserem Jugendschutz führt: die Initiative oder der Gegenvorschlag.
«Unser Hirn reagiert auf Tabak genau gleich wie auf Heroin und Kokain.»
Thomas Cerny, Präsident Krebsforschung, befürwortet die Initiative klar. Der frühere Chefarzt der Onkologie sagt, die Nikotinsucht sei vergleichbar mit der Sucht nach Heroin und Kokain: «Unser Hirn reagiert genau gleich auf diese Substanzen.» Er habe Tausende Patienten innerhalb seiner vierzigjährigen Tätigkeit als Arzt begleitet. Viele davon hätten es bedauert, geraucht zu haben. «Diese Werbediskussion ist absurd», sagte Cerny. In jeder Zigarette habe es 80 Substanzen, die direkt krebsfördernd seien. Es sei deshalb nicht angezeigt, dass man Tabak, ein stark süchtig machendes Produkt, wie etwa Turnschuhe bewerbe.
«Wir sind für den konsequenten Jugendschutz», sagte Hans Stöckli, SP-Ständerat SP und Präsident Initiative. Die Initiative sei eine Ergänzung zum Gegenvorschlag, sie berücksichtige insbesondere die Kinder und Jugendlichen. Dabei geht es den Befürworterinnen und Befürwortern vor allem auch um Werbekanäle, die gezielt, aber eher subtil, Jugendliche erreichen. So etwa die sozialen Medien oder Internetplattformen, aber auch bestimmte Orte wie Festivals.
Es ist ein Irrglaube zu denken, dass das Problem des Rauchens mit einer Werbeverbotsinitiative entschärft wird.
Im Gegenvorschlag sei bereits alles umgesetzt, was die Initianten forderten, argumentierte FDP-Ständerat Ruedi Noser dagegen. Wenn man die Jugend schützen wolle, erfordere das zwei Bedingungen: Tabak darf nicht an Minderjährige verkauft und nicht dort beworben werden, wo Minderjährige sich aufhalten. «Beides ist im Gegenvorschlag umgesetzt», sagte Noser. Für FMH-Präsidentin Yvonne Gilli hingegen ist dieser eine Alibi-Übung. Sie fordert eine «wirksame Einschränkung der Werbung, die sich an Jugendliche richtet».
Die Initiative sei «völlig obsolet», stimmte Mike Egger, SVP-Nationalrat aus St. Gallen und Co-Präsident des Nein-Komitees, wiederum dem Argument von Noser zu. Ihm geht es aber auch um die freie Meinungsbildung. Die schädliche Wirkung von Tabakprodukten auf die Gesundheit sei jedem bekannt. «Ich traue unseren Bürgerinnen und Bürgern zu, dass sie eigenständig darüber entscheiden können, ob sie solche Produkte konsumieren möchten oder nicht», sagte Egger. Die links-grüne Politik wolle hier einmal mehr die Bevölkerung bevormunden.
Beide Seiten werfen sich Unehrlichkeit vor
Die Gemüter erhitzten sich auch bei der Frage, welchen Einfluss die Tabakwerbung denn überhaupt auf Jugendliche hat. «Es ist ein Irrglaube zu denken, dass das Problem des Rauchens mit einer Werbeverbotsinitiative entschärft wird», sagte Egger. Schliesslich warf der SVP-Politiker den Befürwortern der Initiative gar Unehrlichkeit vor. «Wenn es Ihnen wirklich um die Gesundheit der Bevölkerung ginge, dann würden Sie eine Tabakprodukteverbotsinitative lancieren», sagte Egger. Mit einem Werbeverbot allein werde nur ein sehr marginaler positiver Effekt erreicht.
Brenda Ponsignon, die im Vorstand des Branchenverband Swiss Cigarette ist, sagte, die Tabakwerbung werde erst gar nicht für Minderjährige gemacht, sondern für Erwachsene, die bereits rauchten, um ihnen etwa eine neue Marke vorzustellen. Werbung sei nicht als Treiber da, um jemanden zum Rauchen zu animieren. «Die Zielgruppe sind nicht Minderjährige. Wir machen doch nicht Werbung für jemanden, der das Produkt nicht kaufen kann.»
Tabak und Cervelat «im gleichen Korb»
Hans Stöckli widersprach. Es sei scheinheilig zu sagen, die Werbung richte sich nur an erwachsene Rauchende. Das Risiko zu rauchen hänge massiv davon ab, in welchem Werbeumfeld man sei. So werde die Werbung im Internet etwa gar nicht kontrolliert, Jugendliche könnten diese jederzeit einsehen und dadurch in ihren Entscheidungen beeinflusst werden. «Die Prävention steht bei dieser Initiative an vorderster Stelle und die Werbung schafft schlechte Voraussetzungen für die Prävention.»
Die Gegner der Initiative machen derzeit mit Plakaten auf ihr Anliegen aufmerksam, auf denen steht «Heute Tabak? Morgen Cervelat?». Sie befürchten, eine Verbotslawine würde mit dieser Initiative ausgelöst, das Tabakwerbeverbot sei erst der Anfang. Das Wort Cervelat fiel in der Sendung damit nicht nur einmal. Hans Stöckli war zumindest etwas darüber beleidigt, dass seine Lieblingswurst «im gleichen Korb wie die Droge Tabak» besprochen wurde.